Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Arbeitslosigkeit. subjektive Verfügbarkeit bei Leistungseinschränkung. fehlende Arbeitsbereitschaft. Wiederaufnahme des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Arbeitsunfähigkeit. Nichtzahlung von Krankentagegeld. keine Eintrittspflicht. Vermittlung in eine leidensgerechte Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es besteht keine subjektive Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs 5 Nr 3 und 4 SGB III, wenn der Versicherte ausschließlich die Wiederaufnahme des bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Ende seiner Arbeitsunfähigkeit beabsichtigt, jedoch nicht bereit ist, sich in eine andere leidensgerechte Tätigkeit vermitteln zu lassen.

2. Arbeitslosengeld ist nicht allein deshalb zu zahlen, weil kein Krankengeld gewährt wird (hier bei einer Deckungslücke einer privaten Krankentagegeldversicherung).

 

Normenkette

SGB III § 136 Abs. 1, § 138 Abs. 1, 5, § 141 Abs. 1, § 145 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 9. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld I (Alg) für die Zeit vom 24. April bis 9. September 2012.

Die 1963 geborene Klägerin ist seit März 2007 bei der Stadt H. als technische Angestellte beschäftigt (seit 2009 und auch jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,5 Stunden). Sie ist privat bei der I. Krankenversicherung AG (J.) krankenversichert. Im Rahmen ihrer früheren Tätigkeit beim Land Niedersachsen konnte die Klägerin noch eine Entgeltfortzahlung von 26 Wochen beanspruchen. Durch den Wechsel zur Stadt H. im Jahre 2007 stand ihr nur noch eine Entgeltfortzahlung von sechs Wochen zu. Insoweit war eine Vertragsänderung im Hinblick auf den Krankentagegeldanspruch erforderlich. Ihr Versicherungstarif sieht aktuell vor, dass im Falle einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit aufgrund bestimmter im einzelnen bezeichneter Erkrankungen - dies betrifft unter anderem die Folgen einer Verletzung der rechten Schulter und des rechten Armes nach einem Unfall 2007 - Krankentagegeld erst ab dem 183. Tag der Arbeitsunfähigkeit gezahlt werde. Im Übrigen wird Krankentagegeld nach Ende der sechswöchigen Entgeltfortzahlung gezahlt (vgl. Schreiben der J. vom 10. Mai 2012 und Versicherungsschein vom 1. April 2007). Eine andere Vertragsgestaltung war ebenso wie ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung nicht möglich.

Aufgrund von Erkrankungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beantragte die Klägerin 2010 bei der K. (L.) M. die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente.  Dies lehnte die L. ab (Bescheid vom 14. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2011). Die dagegen eingelegte Klage, mit der die Klägerin ab dem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) am 29. Oktober 2013 nur noch die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung begehrte, hatte nach Durchführung umfangreicher medizinischer Ermittlungen (unter anderem ein für die Klägerin ungünstiges orthopädisches Gutachten des Dr. N. vom 24. Oktober 2012 nach Untersuchung vom 7. September 2012) keinen Erfolg (SG Braunschweig, Urteil vom 29. Oktober 2013 - S 70 R 780/11 - und Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. September 2015 - L 1 R 510/13 -). Der Klägerin ist zudem für die Zeit ab Februar 2012 ein Grad der Behinderung von 50 aufgrund eines psychosomatischen Syndroms, einer Funktionsstörung des rechten Schultergelenks und des rechten Armes, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und einer craniomandibulären Dysfunktion zuerkannt worden (Bescheid des O. vom 30. Juli 2012).

Zwischenzeitlich war die Klägerin ab dem 28. Februar 2012 aufgrund der Folgen des Unfalls 2007 arbeitsunfähig (siehe Bescheinigungen des Dr. P. vom 28. Februar 2012 für die Zeit bis zum 10. April 2012 und Bescheinigung des Dr. P. vom 23. April 2012 für die Zeit bis zum 31. Juli 2012).

Am 29. Juni 2012 beantragte die Klägerin rückwirkend zum 24. April 2012 bei der Beklagten schriftlich die Zahlung von Alg. Sie habe bis einschließlich 23. April 2012 von ihrem Arbeitgeber Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhalten. Seitdem erhalte sie von diesem nur noch einen Krankentagegeldzuschuss. Krankentagegeld zahle die J. aufgrund des vereinbarten Leistungsausschluss bei weiter bestehender Arbeitsunfähigkeit erst ab dem 10. September 2012. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 5. Juli 2012 ab, weil die Klägerin sich nicht persönlich arbeitslos gemeldet habe.

Am 18. Juli 2012 meldete sich die Klägerin persönlich arbeitslos und beantragte (erneut) die Bewilligung von Alg.

Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit stehe die Klägerin dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung (Bescheid vom 23. Juli 2012).

Hiergegen legte die Klägerin am 15. August 2012 Widerspruch ein. Nach § 125 Sozi...

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