Orientierungssatz

Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Hamburg vom 19.12.2019 - L 1 KR 62/18, das vollständig dokumentiert ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 674,41 € nebst 5 % Zinsen hierauf ab dem 23. April 2015 sowie die Aufwandspauschale in Höhe von 300 € zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Die in der 36. Schwangerschaftswoche schwangere, 1984 geborene, bei der Beklagten Versicherte, wurde am 17. April 2014 zur Vornahme einer äußeren Wendung bei Beckenendlage des Fötus im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Um 15.23 Uhr erfolgte die Aufnahme in den Kreißsaal, wo ein Anschluss ans CTG vorgenommen wurde und eine Tokolyse (Gabe wehenhemmender Medikation) erfolgte. Gegen 19.50 Uhr wurde ein Wendungsversuch beim ungeborenen Kind der Versicherten vorgenommen, der erfolglos blieb. Nach einem erneuten CTG-Anschluss von 21.02 - 22.00 Uhr wurde die Versicherte sodann bei Wohlbefinden in ihre Häuslichkeit entlassen.

Am 31. Juli 2014 stellte die Klägerin der Beklagten für eine vollstationäre Behandlung insgesamt 674,41 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte diese Rechnung zunächst, teilte der Klägerin aber mit, dass sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung des Falls beauftragt habe.

In seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 9. April 2015 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass zu keinem Zeitpunkt ein stationärer Behandlungsbedarf bestanden habe. Es habe sich nicht um einen Notfall gehandelt, die Entlassung am gleichen Tage sei geplant gewesen, es sei auch kein stationärer Krankenhausaufenthalt mit Überwachung der Versicherten bis zum Folgetag geplant gewesen. Die Leistung „äußere Wendung“ könne ambulant im Krankenhaus erbracht werden.

Am 23. April 2015 hat die Beklagte den vollen Betrag mit einer anderen unstreitigen Forderung der Beklagten verrechnet. Die Klägerin hat daraufhin am 25. August 2015 Klage erhoben. Diese hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23. Januar 2018 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Eingriff der sogenannten äußeren Wendung werde regelhaft im Krankenhaus nicht bei niedergelassenen Ärzten durchgeführt, da im Falle von Komplikationen sehr schnell gehandelt werden müsse, um ernsthafte Gefahren von Mutter und Kind abzuwenden. Ohne den Eintritt von Komplikationen führe eine äußere Wendung aber nicht zu einem längeren Krankenhausaufenthalt, da die Versicherte sich in der Regel nur für wenige Stunden im Krankenhaus aufhalte und möglicherweise noch am selben Tag das Krankenhaus wieder verlassen könne. Ausgehend vom Behandlungsplan, dem eine entscheidende Rolle beizumessen sei, liege also eine ambulante Behandlung vor. Denn die Entscheidung zum Verbleib des Patienten über Nacht werde in der Regel zu Beginn der Behandlung vom Krankenhausarzt getroffen, könne im Einzelfall bei medizinischer Notwendigkeit aber auch noch später erfolgen. Daher sei es möglich, dass eine zunächst geplante weitere Behandlung wegen des Eintritts einer Komplikation in eine ambulante oder vollstationäre Krankenhausbehandlung übergehe. Von vornherein sei vorliegend aber lediglich von einer ambulanten Behandlung auszugehen.

Gegen das am 22. März 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. April 2018 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, der Eingriff der äußeren Wendung bedürfe aufgrund des speziellen Risikos, welches mit ihm verbunden sei, der besonderen Mittel des Krankenhauses. Insbesondere könne es zu

- einem Abfall der Herztöne des Kindes und/ oder der Mutter

- zur Atemnot der Mutter bis hin zum Kreislaufstillstand

- zu einer Ablösung der Plazenta

- zu einem Riss der Plazenta

- zum Platzen der Fruchtblase

- zu einer Nabelschnurstrangulation des Kindes

kommen. In derartigen Fällen sei eine sofortige Intervention mit intensivmedizinischen und/ oder chirurgischen Maßnahmen notwendig, um das Leben von Mutter und Kind zu retten. Daher sei der Eingriff zwingend unter Vorhaltung und Verfügbarkeit intensivmedizinischer Ressourcen des Krankenhauses unter stationären Bedingungen durch speziell ausgebildete Ärzte durchzuführen und bedürfe engmaschiger Überwachung.

Aufgrund der erheblichen Risiken werde der Eingriff ausschließlich im Krankenhaus vorgenommen. In einem in einem Parallelverfahren eingeholten Gutachten habe der Gutachter ausgeführt, der Eingriff werde grundsätzlich als Eingriff in stationärer Behandlung geplant. Ein venöser Zugang solle gelegt sein, ggfs. eine wehenhemmende Infusion erfolgen, eine Lagerung im Kreißbett mit CTG-Überwachung und die Herstellung einer OP-Bereitschaft innerhalb von 20 Minuten, um im Notfall eine sectio durchführen zu können, sei notwendig.

Hierfür sei die stationäre Ausstattung eines Krankenhauses unabdingbar. Das Sozialgericht habe den Umstand übersehen, dass in Fällen der äußeren Wendung bereits vor Behandlungsbeginn...

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