Entscheidungsstichwort (Thema)

Absenkung des Arbeitslosengeld II. Eigenkündigung des selbst gesuchten Beschäftigungsverhältnisses. fehlende Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 Abs 1 SGB 2. Sanktion aufgrund Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nach § 31 Abs 4 SGB 2. wichtiger Grund. Lohnwucher

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Arbeitslosengeld II ist gem § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b und Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 3 auch in den Fällen in einer ersten Stufe um 30 vH der nach § 20 SGB 2 maßgebenden Regelleistung abzusenken, in denen erwerbsfähige Hilfebedürftige während des Bezuges von Leistungen nach dem SGB 2 eine selbst gesuchte und zumutbare Beschäftigung aufgeben und damit die Voraussetzungen einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe erfüllen, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld begründen würde.

2. Eine solche Sanktion setzt nicht voraus, dass dem Hilfebedürftigen vorher eine Rechtsfolgenbelehrung über die Sanktionsfolgen erteilt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Beschäftigungsaufnahme dem zuständigen Leistungsträger rechtzeitig mitgeteilt worden ist.

3. Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung, nach der § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB 2 als Ermächtigungsgrundlage für Sanktionen nur anzuwenden ist, wenn die sperrzeitbegründende Pflichtverletzung zeitlich vor dem Eintritt in den Leistungsbezug liegt.

Es würde einen mit Sinn und Zweck des § 31 SGB 2 nicht zu vereinbarenden Wertungswiderspruch bedeuten, denjenigen zu sanktionieren, der vor dem Leistungsbezug nach dem SGB 2 eine Beschäftigung aufgegeben hat und gegenüber dem mangels Anspruchsberechtigung nach dem SGB 3 eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe nicht festgestellt werden kann, obwohl er über eine drohende Sanktion nach § 31 SGB 2 nie belehrt worden ist, aber denjenigen nicht zu sanktionieren, der während des Leistungsbezuges nach dem SGB 2 ein selbst gesuchtes Beschäftigungsverhältnis in sperrzeitrelevanter Weise aufgegeben hat.

Die Gegenauffassung kann auch nicht auf ein nach Wortlaut und Systematik in § 31 SGB 2 angelegtes Rangverhältnis zwischen den Sanktionstatbeständen des Abs 1 und des Abs 4, mögliche Überschneidungen dieser Tatbestände, die Funktion von § 31 Abs 4 SGB 2, die Wirkungen des Sperrzeitrechts vor Umgehungen zu schützen oder die Annahme gestützt werden, dass die hier vertretene Auffassung zu einer Doppelung von Sanktionsfolgen führen könne.

 

Orientierungssatz

Ein Bruttostundenlohn für eine befristete Tätigkeit als Parkhausaufsicht in Höhe von 5,65 Euro stellt keinen wichtigen Grund iS des § 144 Abs 1 SGB 3 für die Arbeitsaufgabe dar. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das wegen Lohnwuchers zur Nichtigkeit des Arbeitsvertrages führt, kann erst dann angenommen werden, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht (Anschluss an BAG vom 22.4.2009 - 5 AZR 436/08 = DB 2009, 1599).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit sind die Rechtmäßigkeit einer Sanktionsentscheidung der Beklagten und die damit verbundene Teilaufhebung des den Kläger begünstigenden Bewilligungsbescheides vom 24. Oktober 2006 für den Sanktionszeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 28. Februar 2007.

Der 1959 geborene und im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erwerbsfähige und hilfebedürftige Kläger bezog von der Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Bewilligungsbescheid vom 15. Mai 2006 waren ihm als Alleinstehenden für den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis 30. November 2006 und durch Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 2006 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 Leistungen in Höhe von jeweils 658,79 EUR im Monat bewilligt worden.

Während dieses Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nahm der Kläger am 20. September 2006 eine Beschäftigung als Parkhausaufsicht bei der C. GmbH auf, die unter anderem die damals noch im Bau befindliche E.-Passage in Hamburg betreute. Die beabsichtigte Arbeitsaufnahme teilte er der Beklagten am 19. September 2006 mit. Der Vertrag war auf ein Jahr befristet. Der Kläger erhielt einen Lohn von 5,65 EUR brutto für die Stunde. Nach einigen Tagen, am 26. September 2006, kündigte der Kläger dieses Arbeitsverhältnis fristlos. Es endete am 26. September 2006. Aus dem Leistungsbezug schied der Kläger durch diese Beschäftigung nicht aus. Als Einkommen erzielte er für die Zeit vom 20. bis 26. September 2006 231,65 EUR brutto, 178,76 EUR netto. Die Beklagte erließ für Oktober 2006, den Zuflussmonat, eine entsprechende Teilaufhebungsentscheidung (Bescheid vom 13. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2007).

Die Beklagte erfuhr am 10. Oktober 2006 vom Kläger, dass ...

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