Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung der Ausbildung behinderter Menschen. Zuschuss. Ausbildungsvergütung. Arbeitgeberanspruch. sonst nicht zu erreichende Ausbildung. Kausalität. Abschluss des Ausbildungsvertrages vor Beantragung des Zuschusses. Vorbehalt im Ausbildungsvertrag. behördliche Zusicherung

 

Orientierungssatz

1. Inhaber des Anspruches auf Zuschüsse zur Aus- oder Weiterbildung von behinderten und schwerbehinderten Menschen ist der Arbeitgeber und nicht der schwerbehinderte Mensch.

2. Die Gewährung eines Ausbildungszuschusses an den Arbeitgeber eines behinderten Auszubildenden kommt gem § 73 Abs 1 SGB 3 nur in Betracht, wenn die Zuschussgewährung, die nur als letztes Mittel (ultima ratio) zum Zuge kommen soll, ursächlich für die Aus- und Weiterbildung ist.

3. Es fehlt an der erforderlichen Kausalität, wenn der Ausbildungsvertrag bereits vor der Antragstellung ohne den Vorbehalt einer Förderung abgeschlossen wird, denn in diesem Fall ergibt sich die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausbildung aus dem Vertrag selbst (vgl LSG Saarbrücken vom 20.8.2002 - L 6 AL 68/00 - juris).

4. Für die Praxis bedeutet dies, dass der Arbeitgeber entweder den Ausbildungsvertrag unter dem Vorbehalt einer Zuschussgewährung (rechtstechnisch eine auflösende Bedingung im Sinne von § 158 Abs 1 BGB) abschließen oder aber zunächst eine behördliche Zusicherung (§ 34 SGB 10) oder einen im Sinne von § 32 Abs 2 Nr 2 SGB 10 bedingten Bescheid erwirken muss.

 

Tenor

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung schwerbehinderter Menschen.

Der Kläger ist niedergelassener Arzt. Seine am ... November 1993 geborene Tochter E. (i.F.: Auszubildende) legte im Jahr 2014 das Abitur ab und bemühte sich im Anschluss erfolglos um einen Studienplatz in Bereich Medizin. Sie leidet ausweislich eines Gutachtens des U. -Zentrum für Innere Medizin - vom 11. Juli 2014 an - einer undifferenzierten Pannikulitis (Entzündung des Unterhautfettgewebes) des rechten Beines bei Zustand nach mehrfacher Therapie mit Kortison sowie einem Immunsuppressivum, - dem Zustand nach Kompartmentsyndrom (neuromuskuläre Störung und Gewebeschädigungen durch verminderte Gewebedurchblutung bei erhöhtem Gewebedruck) im rechten Unterschenkel im Jahr 2011 nach operativer Therapie sowie - einem chronischen Schmerzsyndrom. Bei ihr ist ein Gesamt-Grad der Behinderung von 50 festgestellt (Abhilfebescheid der Freien und Hansestadt Hamburg - Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration vom 30. September 2014).

Am 9. Januar 2015 schlossen der Kläger und die Auszubildende einen Berufsausbildungsvertrag für medizinische Fachangestellte. Die Ausbildung sollte zum 1. Februar 2015 beginnen und bis zum 31. Januar 2018 dauern. Die vereinbarte Probezeit, während der das Berufsausbildungsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden konnte, betrug nach Buchstabe A und Buchstabe B § 7 Abs. 1 des Vertrags drei Monate. Nach ihrem Ende war eine Kündigung nur nach Maßgabe von § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG) möglich.

Am 30. Januar 2015 beantragte der Kläger einen Zuschuss zur Ausbildungsvergütung schwerbehinderter Menschen, den die Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2015 mit der Begründung ablehnte, der Antrag sei erst nach dem leistungsbegründenden Ereignis - hier der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrags - gestellt worden.

Der Kläger legte am 7. September 2015 Widerspruch ein und führte aus, in Anlehnung an das Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. April 2008 (Az. B 7a AL 20/05 R) sei als leistungsbegründendes Ereignis die Aufnahme der Beschäftigung zu sehen und nicht bereits der Abschluss des entsprechenden Vertrages. Auch habe der Kläger sich zuvor von der Beklagten eingehend telefonisch beraten lassen und danach von einer positiven Entscheidung ausgehen dürfen. Im Übrigen könne als leistungsbegründendes Ereignis frühestens der Zeitpunkt angenommen werden, ab dem der Arbeitgeber die zuschussfähige Ausbildungsvergütung zu zahlen habe. Auch beim Eingliederungszuschuss habe der Gesetzgeber an den Beginn der Maßnahme und nicht an den Abschluss von Arbeits- und Weiterbildungsverträgen angeknüpft (Hinweis auf BT-Drs. 13/4941, S. 212 zu § 325). Hilfsweise stelle die Annahme von Verfristung eine unzumutbare Härte dar. Angesichts des Gesundheitszustandes der Auszubildenden, der eine Tendenz zur Verschlechterung zeige, hätte ein weiteres Zuwarten die Ausbildung erheblich gefährdet. Angesichts der tatsächlichen Bearbeitungszeit von fünf Monaten wäre die Aufnahme einer Ausbildung erst ein Jahr später möglich gewesen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2015 (dem Klägerbevollmächtigten zugegangen am 20. Oktober 2015) zurück, wobei sie ergänzend zum Ausgangsbescheid ausführte, es liege auch keine unbillige Härte vor.

Am 19. November 2015 hat der Kläger Klage erhob...

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