Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachforderung der Rentenversicherungsträger nach einer Betriebsprüfung. sozialgerichtliches Verfahren. Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bei Anforderungsbescheiden. Anwendbarkeit des § 7a Abs 7 S 1 SGB 4 auf Anfrageverfahren beschränkt. Reiseleiter. Busfahrer. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Bescheide nach § 28p Abs 1 Satz 5 SGB 4, mit denen die Träger der Rentenversicherung nach Durchführung einer Betriebsprüfung Nachforderungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für Beschäftigte sowie auf Umlagen erheben, gehören auch dann zu den von § 86a Abs 2 Nr 1 SGG erfassten, sofort vollziehbaren Anforderungsbescheiden, wenn inzident über den Status von Beschäftigten entschieden wird. Aus § 7a Abs 7 Satz 1 SGB 4, wonach Widerspruch und Klage gegen eine Entscheidung, dass Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung hat, ergibt sich nichts anderes. Denn die Anwendbarkeit der Vorschrift ist von ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang her auf das Anfrageverfahren nach § 7a Abs 1 SGB 4 beschränkt. Bei einem im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs 1 SGB 4 durch den Rentenversicherungsträger festgestellten Verdacht auf Verletzung der Meldepflichten nach § 28a SGB 4 ist für eine derartige beitragsrechtliche Honorierung des in der Regel zumindest fahrlässig handelnden Arbeitgebers kein Raum. Soweit der beschließende Senat (vgl LSG Hamburg vom 25.10.2000 - L 3 B 80/00 ER) hierzu in der Vergangenheit eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nach erneuter Überprüfung mit Blick auf Wortlaut und Systematik des Gesetzes nicht mehr fest.

 

Orientierungssatz

Zur Einordnung der Tätigkeit als Busfahrer und Reiseleiter als abhängige Beschäftigung.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 30. Januar 2012 aufgehoben.

Der auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtete Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird - auch unter Abänderung der insoweit durch das Sozialgericht ergangenen Entscheidung - für beide Rechtszüge auf jeweils 80.322,97 € festgesetzt.

 

Gründe

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin gegen den nach § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) ergangenen Prüfbescheid der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2011, durch welchen eine Nachforderung auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag sowie auf Umlagen in Höhe von 321.291,86 € festgesetzt wurde, in entsprechender Anwendung von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG festgestellt. Dem Rechtsbehelf kommt aufschiebende Wirkung nicht zu.

Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben - einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten - keine aufschiebende Wirkung. Diese durch das 6. SGG-Änderungsgesetz vom 17. August 2001 mit Wirkung vom 2. Januar 2002 eingeführte Regelung entspricht § 80 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und soll wie dort die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger sichern, die - zumal bei einer Umlagefinanzierung ihrer Ausgaben - auf die rechtzeitige und vollständige Erhebung der Abgaben angewiesen sind. Die Vorschrift dokumentiert die durch den Gesetzgeber in Fällen von Abgabenbescheiden getroffene Grundentscheidung, dass dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Vorrang gebührt vor dem durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz aus Gründen effektiven Rechtsschutzes prinzipiell geschützten Interesse des Adressaten, von der Vollziehung des angefochtenen Bescheides bis zu dessen Bestandskraft verschont zu bleiben. Bescheide nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, mit denen die Träger der Rentenversicherung nach Durchführung einer Betriebsprüfung Nachforderungen auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für Beschäftigte sowie auf Umlagen erheben, gehören zu den von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG erfassten, sofort vollziehbaren Anforderungsbescheiden.

Aus dem bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl I 2000) in das SGB IV eingefügten § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV ergibt sich nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Klage gegen eine Entscheidung, dass Beschäftigung vorliegt, aufschiebende Wirkung. Ihre Anwendbarkeit ist von ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang her auf das Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV beschränkt, innerhalb dessen die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Antrag der an einem Auftragsverhältnis beteiligten Personen oder der zuständigen Einzugsstelle entscheidet, ...

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