Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegehilfsmittel. Ermöglichung einer selbständigeren Lebensführung. höhenverstellbares Pflegebett. Unbeachtlichkeit eines erhöhten Sturzrisikos

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Pflegekasse hat eine bei ihr versicherte pflegebedürftige Person gem §§ 40 Abs 1 S 1, 29 Abs 1 SGB 11 mit einem höhenverstellbaren Pflegebett zu versorgen, wenn damit eine auch nur geringe Teilmobilität erreicht wird. Der Hinweis der Pflegekasse auf ein erhöhtes Sturzrisiko ist dann unbeachtlich, wenn das Risiko auch bei dem zuvor zur Verfügung gestellten höheren Standardpflegebett objektiv bestanden hat.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 12.2.2008 sowie der Bescheid vom 1.2.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.8.2007 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einem höhenverstellbaren Pflegebett mit einer absenkbaren Liegehöhe bis 22 cm zu versorgen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die bei der Beklagten pflegeversicherte Klägerin von der Beklagten eine Sonderanfertigung eines Pflegebettes beanspruchen kann.

Die 1971 geborene Klägerin leidet von Geburt an an einer infantilen zerebralen Parese, einer spastischen Tetraplegie sowie einer psychischen Verlangsamung. Sie erhält Leistungen aus der Pflegeversicherung der Pflegestufe II und wohnt in Sa. in einem behindertengerechten Einzimmer-Appartement in einem Haus des Paritätischen Wohlfahrtverbandes mit Inanspruchnahme eines ambulanten Pflegedienstes. Sie ist Rollstuhlfahrerin und ihr linker Arm und das rechte Bein sind besonders beeinträchtigt.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Versorgung mit einem Pflegebett mit einer Liegehöhe von 22 cm bis 62 cm. Im jetzigen, höheren Standardpflegebett schaffe sie es nicht, alleine den Transfer auf die Toilette zurückzulegen. Der medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) sah keinen Grund für eine Höhenverstellung von 22 cm bis 62 cm, auch nicht bei der Körpergröße der Klägerin von 154 cm.

Durch Schreiben vom 1.2.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der MDK habe die Versorgung abgelehnt. Eine Indikation für dieses Bett liege nicht vor.

Die Betreuerin der Klägerin erhob hiergegen mit Schreiben vom 20.2.2007 Widerspruch. Ein Gutachten des MDK vom 4.7.2007, auch zur Pflegestufe der Klägerin, kam zum Ergebnis, dass es der Klägerin trotz großer Anstrengungen nicht möglich gewesen sei, sich alleine im Bett aufzurichten. Auch wenn sie am Bett sitze, könne sie nur unter großer körperlicher Anstrengung in den Rollstuhl und zurück, letztlich nur mithilfe einer Pflegekraft. Das Spezialbett sei nicht geboten, weil Hilfe des Pflegepersonals ständig angezeigt sei. Dieses im Vergleich zu einem Standardbett tiefer absenkbare Pflegebett bringe keine Vorteile. Der Transfer könne hierdurch weiterhin nicht selbstständig bewältigt werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.8.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Im anschließenden Klageverfahren, in dem die Klägerin erneut auf ihr Bemühen um Selbstständigkeit und darauf verwiesen hat, dass sie deswegen an einer Reittherapie teilnehme, hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) ein Gutachten bei Dr. H. eingeholt, welches am 17.11.2007 erstellt und am 7.1.2008 ergänzt wurde. Dr. H. stellte fest, dass man zur Erleichterung der Pflege im Oktober 2007 ein Pflegebett als Serienmodell mit einer Höhe von 52 cm angeschafft habe; die Klägerin meine, dieses Bett sei zu hoch und sie könne nicht in den Rollstuhl gelangen. Zusammenfassend kam dieser Gutachter zum Ergebnis, ein tieferes Bett könne die Selbständigkeit der Klägerin zwar fördern, allerdings sei dies riskant und könne Unfälle provozieren. Die Unterbringung im Heim sorge für eine fast optimale pflegerische Versorgung mit Hilfestellungen bei Transfers. Risiken seien höher als der potentielle Nutzen.

Mit Urteil vom 12.2.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 40 Abs. 1 S. 1 SGB XI hätten Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege und zur Linderung der Beschwerden beitrügen und eine selbstständige Lebensführung ermöglichten. Nach S. 2 dieser Norm in Verbindung mit § 29 Abs. 1 SGB XI dürfe die Versorgung mit Pflegehilfsmitteln unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Nach diesen Normen und den Ausführungen von Dr. H. habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine entsprechende Versorgung. Das Interesse der Klägerin daran, die Eigenständigkeit zu erhöhen, müsse der Gefahrenabwehr weichen. Es entspreche der Fürsorgepflicht der Beklagten, die Klägerin nicht mit Hilfsmitteln zu versorgen, von denen eine Gefahr ausgehen könne.

Gegen das am 18.2.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.3.2008 Berufung eingelegt.

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