Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldes. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell. wichtiger Grund. beabsichtigter nahtloser Übergang in die Altersrente. Prognose. maßgeblicher Zeitpunkt. geänderte Rentenpläne wegen nachträglicher Änderung der Rechtslage. abschlagsfreie Altersrente für langjährig Versicherte ab Vollendung des 63. Lebensjahres. versicherungswidriges Verhalten. Fortwirken des wichtigen Grundes. Dauer. besondere Härte

 

Orientierungssatz

1. Ein wichtiger Grund iS von § 159 Abs 1 S 1 SGB 3 für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses liegt nicht vor, wenn zur Zeit des Abschlusses des Altersteilzeitvertrages prognostisch davon auszugehen war, dass der Arbeitnehmer nahtlos nach Ende des Altersteilzeitverhältnisses in die Altersrente wechselt, er aber wegen der geänderten Rechtslage zur Erfüllung der Voraussetzungen der Altersrente für langjährig Versicherte von seiner früheren Absicht abweicht und sich erneut dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt (vgl LSG Mainz vom 9.6.2016 - L 1 AL 48/15 und LSG Stuttgart vom 30.9.2016 - L 8 AL 1777/16; aA LSG Berlin-Potsdam vom 1.11.2016 - L 18 AL 96/16).

2. Für das Fortbestehen des wichtigen Grundes wäre zu verlangen gewesen, dass der Arbeitslose, sobald er ein Abweichen von seiner früheren Absicht ernsthaft ins Auge gefasst hat, alle zumutbaren Anstrengungen unternimmt, um den Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

3. Eine besondere Härte iS von § 159 Abs 3 S 2 Nr 2 Buchst b SGB 3 kann nur angenommen werden, wenn eine Verschiebung des Rentenbeginns um maximal 12 Wochen bis ca 3 Monate vorliegt.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.09.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 01.06.2016 bis 23.08.2016, den die Beklagte aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe abgelehnt hat, streitig.

Die 1954 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem ...1973 beim Landkreis O. (im Folgenden: Arbeitgeber) als Bürofachkraft beschäftigt. Am 28.11.2006 schlossen die Klägerin und der Arbeitgeber einen Änderungsvertrag (Blatt 7/8 der Beklagtenakte) und vereinbarten ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Blockmodell (Arbeitsverhältnis ab 01.12.2009; Freizeitphase vom 01.03.2013 bis 31.05.2016; geändert mit Vertrag vom 22.11.2010, Blatt 9 der Beklagtenakte, auf 08.03.2013 bis 31.05.2013). Das Arbeitsverhältnis endete am 31.05.2016 (zur Arbeitsbescheinigung vgl. Blatt 11/16 der Beklagtenakte). Die Klägerin bezieht derzeit keine Rente, vielmehr beabsichtigt sie, zum 01.10.2017 die Altersrente für langjährig Versicherte abschlagsfrei in Anspruch zu nehmen (Blatt 20 der Senatsakte). Sie war vom 29.09.2016 bis 08.12.2016 beim Finanzamt A. für eine Stunde wöchentlich beschäftigt (Blatt 82 der Beklagtenakte).

Die Klägerin meldete sich am 24.03.2016 bei der Beklagten persönlich arbeitsuchend und arbeitslos und beantragte mit Wirkung zum 20.04.2016 (wohl 01.06.2016) Alg (Blatt 2/4 der Beklagtenakte).

Nach Anhörung der Klägerin zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und dem Eintritt einer Sperrzeit (Blatt 5, 18 der Beklagtenakte) bewilligte die Beklagte der Klägerin (Bescheid vom 31.05.2016, Blatt 22/25 der Beklagtenakte) vorläufig Alg (Anspruchsbeginn: 01.06.2016; Dauer 720 Kalendertage) und stellte einen Zahlungsanspruch ab 24.08.2016 (Leistungsbetrag 11,39 EUR täglich) fest. Ferner führte die Beklagte in dem Bescheid aus, der Anspruch werde in der Zeit vom 01.06.2016 bis 23.08.2016 vorläufig um 180 Tage gemindert, dies werde noch abschließend geprüft.

Hiergegen erhob die Klägerin per E-Mail (Blatt 26 der Beklagtenakte) und schriftlich (Blatt 27, 33 der Beklagtenakte) Widerspruch. Ergänzend legte sie den "Fragebogen bei eigener Kündigung oder Aufhebungsvertrag" vor, worin im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung noch nicht absehbar gewesen sei, dass sie eine Rente für langjährig Versicherte nach 45 Jahren ohne Abschlage bekommen könne. Das Rentenmindestalter von 63 Jahren sei in diesem Zusammenhang nicht bekannt gewesen. Wäre dies zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen, hätte sie mit ihrem Arbeitgeber einen späteren oder längeren Altersteilzeitvertrag abgeschlossen, sodass sie mit 63 Jahren und vier Monaten ohne Abzüge in Rente hätte gehen können. Im Übrigen habe nach § 8 Abs. 1 des Altersteilzeitgesetzes vom 23.07.1996 nicht davon ausgegangen werden können, dass sie Nachteile haben werde. Eine betriebliche Kündigung sei ihr vom Arbeitgeber nicht mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt worden. Die Klägerin legte eine Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 28.11.2006 (Blatt 35/38, 42/50 der Beklagtenakte), woraus sich ein frühestmöglicher Rentenbeginn der Klägerin ab dem 01.06.2016 verbund...

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