Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. Rahmenfrist. Versicherungspflicht. Kindererziehung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres. Zwillinge. erhöhter Betreuungsaufwand. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld anrechenbare Versicherungspflicht der Kindererziehung gem § 26 Abs 2a SGB 3 endet am Tag vor der Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes; dies gilt auch dann, wenn mehrere unter 3-jährige Kinder gleichzeitig (hier Zwillinge) erzogen werden. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, jeden höheren Betreuungsaufwand zu berücksichtigen (BVerfG vom 25.11.2004 - 1 BvR 2303/03 = NZA-RR 2005, 154).

 

Orientierungssatz

Diese Reglung verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) hat, insbesondere die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt.

Die 1973 geborene Klägerin war ab 1. November 1998 bei der Firma St. beschäftigt. Am 7. August 2003 gebar sie die Zwillinge Si. und Ni. Vom 7. August bis 11. Dezember 2003 bezog sie Mutterschaftsgeld. Sie nahm - mit Zustimmung des Arbeitgebers (siehe die Vereinbarung vom 8. August 2005) - Elternzeit bis 6. August 2008. Das Arbeitsverhältnis wurde durch gerichtlichen Vergleich am 24. Juli 2008 mit Ablauf des 6. August 2008 beendet, da die von der Klägerin angestrebte Teilzeitbeschäftigung nicht angeboten werden konnte.

Am 28. Juli 2008 meldete sich die Klägerin - gegebenenfalls mit Wirkung zum 7. August 2008 - arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2008 ab, da die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfülle. Dagegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin am 10. September 2008 Widerspruch. Der Gesetzgeber habe klar geregelt, dass im Falle von Mehrlingsgeburten mit Zustimmung des Arbeitgebers die Elternzeit verlängert werden könne und auch der Sozialversicherungsschutz uneingeschränkt weiterbestehen solle. Dies würde durch eine wortlautgetreue Anwendung des § 26 Abs. 2a SGB III unterlaufen und gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoßen. Deshalb seien Eltern von Zwillingen bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres als versicherungspflichtig anzusehen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 als unbegründet zurück. Anders als im Recht der Rentenversicherung begründeten Kindererziehungszeiten die Versicherungspflicht nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, auch bei zeitgleicher Erziehung mehrerer Kinder.

Am 15. Oktober 2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ihre Argumente wiederholt. Mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist (6. August 2008 bis 6. August 2006) habe sie in keinem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Weder sei sie gegen Entgelt beschäftigt gewesen im Sinne des § 25 SGB III, noch läge eine Versicherungspflicht nach § 26 SGB III vor. Insbesondere ende die Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III mit Vollendung des dritten Lebensjahres der Kinder, also mit Ablauf des 6. August 2006. Eine erweiternde Auslegung sei nicht vorzunehmen, da eine Lücke nicht bestehe und der Wortlaut der Norm eindeutig sei. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Die vom Gesetzgeber vorliegend vorgenommene Abgrenzung anhand des Alters des jüngsten und damit am meisten betreuungsbedürftigen Kindes sei nicht zu beanstanden. Ein erhöhter Betreuungsaufwand müsse nicht zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht führen.

Gegen den der Klägerin am 26. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 24. November 2009 Berufung erhoben und ergänzend vorgetragen, der Betreuungsbedarf von gleichaltrigen Kindern sei höher.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 25. August 2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 7. August 2008 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Elternzeitrecht als Arbeitsrecht schwerlich auf das Arbeitslosenversicherungsrecht als Sozialrecht übertragen werden könne; zudem finde sich die von der Klägerin angestrebte Versicherungszeit von sechs Jahren auch dort nicht. Die gesetzliche Formulierung laute nicht, dass eine Versicherungszeit für drei Jahre pro Kind vorliege, sondern bis zum dritten Lebensjahr...

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