Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Bemessungsentgelt. echter Grenzgänger. Nichtberücksichtigung des in der Schweiz erzielten Arbeitsentgelts. Berücksichtigung des Arbeitsentgeltes der letzten Beschäftigung im Inland. keine fiktive Bemessung. Dienstanweisung der BA

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitslosengeldanspruch eines vormaligen Grenzgängers, der vor der Arbeitslosigkeit wieder in seinem Wohnsitzland Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, ist nach Art 62 Abs 1 EGV 883/2004, der wortgleich mit Art 68 Abs 1 S 1 EWGV 1408/71 ist, nicht fiktiv nach § 152 SGB 3, sondern in entsprechender Anwendung von § 151 SGB 3 zu bemessen (entgegen LSG Stuttgart vom 19.10.2011 - L 3 AL 5476/10 - zu EWGV 1408/71).

2. Die eine fiktive Bemessung anordnende Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit widerspricht früherem und aktuellem EG-Recht.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des der Klägerin bewilligten Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 19.08.2010 bis 30.11.2010 streitig.

Die 1964 geborene Klägerin meldete sich am 03.08.2010 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Sie gab hierbei an, sie habe von 1986 bis Juni 2010 in der Schweiz gearbeitet und sei während ihrer Auslandsbeschäftigung täglich an ihren Wohnort in Deutschland zurückgekehrt. Von 1990 bis zum Januar 2006 sei sie als Krankenschwester in S. (Schweiz) und von Januar 2006 bis Juni 2010 als Teamleitung/Pflegedienstleitung in einem Altersheim in S. (Schweiz) beschäftigt gewesen (Jahresverdienst 91.800 CHF). Zuletzt sei sie vom 01.07.2010 bis 15.08.2010 im Altersheim B. in K. (Deutschland) beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei von ihrem Arbeitgeber in der Probezeit am 30.07.2010 zum 15.08.2010 gekündigt worden.

Ausweislich der Arbeitsbescheinigung der B. P. GmbH erzielte die Klägerin während ihrer Beschäftigung Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 2.838,71 € für den Monat Juli 2010 und 2.489,33 € für den Zeitraum vom 01.08. bis 15.08.2010, wobei in diesem Zeitraum noch eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 553,85 € berücksichtigt wurde. Der Urlaub hätte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis 18.08.2010 angedauert. Die Beklagte erließ am 27.08.2010 einen Ruhensbescheid, wonach der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16.08.2010 bis 18.08.2010 gemäß § 143 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruhe. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 27.08.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg für 360 Kalendertage ab dem 16.08.2010, wobei für die Zeit vom 16.08.2010 bis 18.08.2010 ein Leistungsbetrag von 0 € festgesetzt wurde. Ab dem 19.08.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen Leistungsbetrag von 37,28 € kalendertäglich. Dabei ging die Beklagte von einem Bemessungsentgelt von 85,17 €, der Lohnsteuerklasse II und einem erhöhten Leistungssatz von 67 % aus.

Mit Schreiben vom 03.09.2010 legte die Klägerin Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes seien nicht die letzten 12 Monate berücksichtigt worden. Da sie immer als Grenzgängerin tätig gewesen sei und sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt habe, somit auch Steuern und Abgaben in Deutschland beglichen habe, könne sie dies nicht akzeptieren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2010 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bemessungsrahmen umfasse ein Jahr, er ende mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs. Im vorliegenden Fall umfasse der Bemessungsrahmen die Zeit vom 16.08.2009 bis 15.08.2010. Die Klägerin habe vor der Antragstellung zum 16.08.2010 folgenden beruflichen bzw. leistungsrechtlichen Werdegang gehabt:

01.02.2006 bis 30.06.2010 Grenzgängerbeschäftigung in der Schweiz;

01.07.2010 bis 15.08.2010 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland.

Ein zurückgelegtes Beschäftigungsverhältnis in einem Mitgliedsland der EU sei nach dem Abkommen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft so zu berücksichtigen, als ob es in Deutschland ausgeübt worden wäre und somit hinsichtlich der Erfüllung der Anwartschaftszeit auf Arbeitslosengeld grundsätzlich heranzuziehen. Im vorliegenden Fall seien ausschließlich die nationalen Bemessungsvorschriften anzuwenden, da zuletzt Versicherungspflichtzeit in Deutschland bestanden habe. Das im Ausland - vorliegend Grenzgängerin Schweiz - erzielte Arbeitsentgelt sei bei der Bemessung grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Dies führe zu folgendem Bemessungsergebnis:

Der 1-jährige Bemessungszeitraum umfasse zunächst die Entgeltzeiträume vom 16.08.2009 bis 15.08.2010. In diesem Zeitraum könne - ebenfalls wie im auf 2 Jahre erweiterten ...

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