Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. freiberufliche Pflegefachkraft. Honorarkraft. Dienstleistungsvertrag. fachliches Weisungsrecht der stationären Pflegeeinrichtung. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 12 R 6/18 R

 

Leitsatz (amtlich)

Grundsätzlich erfordert § 71 Abs 2 Nr 1 SGB XI ein fachliches Weisungsrecht der zugelassenen stationären Pflegeeinrichtung - konkret der verantwortlichen Pflegefachkraft - gegenüber allen Personen, die von der Einrichtung in der Pflege eingesetzt werden. Führt die zugelassene Pflegeeinrichtung ihren Betrieb tatsächlich unter Beachtung dieser Vorgabe und schließt sie ein Weisungsrecht beim Einsatz einer "freiberuflichen Pflegefachkraft" im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen nicht aus, besteht auch im Falle des Einsatzes einer "Honorarkraft" ein solches fachliches Weisungsrecht. Dabei ist auch eine in Form der Bitte oder des Wunsches erfolgende Äußerung, mit der auf die Ausführung der Tätigkeit durch die Pflegekraft eingewirkt werden soll, Ausdruck dieses Weisungsrechts. Ein solches Weisungsrecht spricht bei der Statusfeststellung im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung für das Vorliegen von Beschäftigung und gegen eine selbstständige Tätigkeit.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 07.06.2019; Aktenzeichen B 12 R 6/18 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19.12.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

 

Tatbestand

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen bei seinen Einsätzen bei der Klägerin vom 06.11. bis 14.11.2012, 21.11. bis 28.11.2012, 04.12. bis 09.12.2012, 14.12. bis 23.12.2012 und 03.01. bis 10.01.2013 (streitiger Zeitraum).

Die als gemeinnützige GmbH organisierte Klägerin ist eine zur Versorgung Pflegebedürftiger nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zugelassene Pflegeeinrichtung und stellt ganzjährig 125 Plätze für die vollstationäre Pflege zur Verfügung. Sie schließt mit den jeweiligen Bewohnern einen Wohn- und Betreuungsvertrag (hinsichtlich dessen Einzelheiten wird auf Anlage 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 13.03.2017, Anlagenband, Bezug genommen). Die Einrichtung war im streitigen Zeitraum in zwei Wohnbereiche aufgeteilt, wobei im Wohnbereich 1 mit einer Sollbettenzahl von 46 vornehmlich Bewohner mit demenziellen Erkrankungen versorgt wurden. Wohnbereich 2 mit einer Sollbettenzahl von 68 erstreckte sich über zwei Etagen. Die durchschnittliche Belegung betrug im Jahr 2012 ca. 70 v.H., im Jahr 2013 ca. 75 v.H. Der Personalbedarf lag nach den Berechnungen der Klägerin im Jahr 2012 im Durchschnitt bei 28,39 Vollbeschäftigungseinheiten (VBE), im Jahr 2013 bei 30,62 VBE, wobei das tatsächlich vorhandene Personal diesen Bedarf leicht überschritt. Zur Personaldeckung bediente sich die Klägerin auch des Einsatzes von Leiharbeitnehmern und sog. Honorarkräften, weil im damaligen Zeitraum keine (weiteren) Fachkräfte zur Festanstellung zu finden waren (vgl. Bl. 48 SG-Akte, Bl. 16 LSG-Akte). Von den pro Schicht auf allen Wohnbereichen eingesetzten drei Pflegefachkräften waren im streitigen Zeitraum bis zu 85% Honorarkräfte. Die festangestellten Mitarbeiter trugen einheitliche, von der Klägerin gestellte Dienstkleidung mit einem Logo der Unternehmensgruppe, die von einem externen Wäschedienstleiter gestellt und gewaschen wurde. Im streitigen Zeitraum betrugen die von der Klägerin einer angestellten examinierten Fachkraft gezahlten Stundenlöhne zwischen 12,69 € und 14,06 € im Jahr 2012 und zwischen 13,27 € und 15,58 € im Jahr 2013. Zuschläge wurden für Nachtdienst (2,00 €), Sonntagsarbeit (3,00 €) und Feiertage (4,00 €) gewährt. Organisatorisch führte die Klägerin einen Dienstplan mit Schichtzeiten, der für die Jahre 2012 und 2013 wegen des damals vermehrten Einsatzes von Honorarkräften auch eine Auswahl an Einsatzzeiten vorsah, die ausschließlich für Honorarkräfte vorgesehen waren und den häufigen Wunsch dieser Kräfte für einen Einsatz von mindestens zehn Stunden berücksichtigte (hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Einsatzes der Honorarkräfte wird auf die Darstellung der Klägerin im Schriftsatz vom 13.03.2017, Bl. 38a f. LSG-Akte, Bezug genommen). Nach der von der Klägerin vorgelegten Dienstplanlegende (Anlagen 7 und 8 zum Schriftsatz vom 13.03.2017, Anlagenband) waren hierzu beispielsweise im Frühdienst eine Dienstzeit von 06.15 Uhr bis 17.15 Uhr mit zehn Stunden bei einem Pausenkorridor von 12.00 Uhr bis 13.00 Uhr, im Spätdienst eine Dienstzeit von 10.45 Uhr bis 21.45 Uhr mit einem Pausenkorridor von 15.30 Uhr bis 16.30 Uhr vorgesehen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die erwähnten Anlagen 7 und 8 Bezug genommen. Für jeden einzelnen Bewohner erstellte die Klägerin durch ihre angestellten Fachkräfte einen individuellen Plan über die Pflege- und Behandlungspflegeleistungen und sie führte ei...

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