Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgeld. Arbeitnehmerbegriff. Versicherungspflicht. Mitglied und stellvertretendes Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der im SGB 3 nicht definierte Begriff des Arbeitnehmers iS von § 183 Abs 1 S 1 SGB 3 ist im Wesentlichen nach den für das Versicherungspflichtrecht zu § 7 Abs 1 S 1 SGB 4 und §§ 25ff SGB 3 geltenden Abgrenzungskriterien zu bestimmen.

2. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft sind danach keine Arbeitnehmer, die Insolvenzgeld beanspruchen können; gleiches gilt für stellvertretende Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld (Insg) in Höhe von 8498,03 € zu gewähren hat.

Der 1967 geborene Kläger war vom 1. Januar 2002 (Vertrag vom 4. Januar 2002 über die Beschäftigung des Klägers; Aufsichtsratsbeschluss vom 10. Dezember 2001) bis 31. Dezember 2002 stellvertretendes Vorstandsmitglied der H. T. AG (HWS) für den Bereich T.; der Vorstand der HWS bestand aus zwei Vorstandsmitgliedern. Laut Vertrag vom 4. Januar 2002 erhielt der Kläger eine monatliche Vergütung von 4091 €, Zuschüsse zur privaten Vorsorge, Alters- und Krankenversicherung in Höhe der gesetzlichen Beiträge sowie in Höhe der bislang gezahlten Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung und per 31. Dezember 2002 eine Gratifikation von 7670 € (vgl. § 3 des Vertrages). Am 1. Juni 2003 wurde das Insolvenzverfahren über die HWS eröffnet. Der Kläger hatte sein Beschäftigungsverhältnis selbst zum 31. Dezember 2002 gekündigt. Am 7. Juli 2003 beantragte er bei der Agentur für Arbeit K. (AA) Insg für den Entgeltabrechnungszeitraum Dezember 2002 wegen ausgefallenem Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 8498,03 €; der Kläger hatte eine Entgeltabrechnung für Dezember 2002 beigefügt, wonach sich bei einer Bruttovergütung von 4091 €, einem Zuschuss zur Sozialversicherung von 576 € und einer Weihnachtsgratifikation von 7670 € brutto bei Abzug von 3838,97 € an Steuern die Netto-Bezüge für Dezember 2002 auf 8498,03 € beliefen.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2003 lehnte die AA den Antrag des Klägers auf Insg ab, weil es sich bei ihm um keinen Arbeitnehmer im Sinne des § 183 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) handle; für die Dauer seiner Tätigkeit als Vorstand seien auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Hiergegen erhob der Kläger am 6. August 2003 Widerspruch, den er damit begründete, aufgrund der tatsächlichen Ausgestaltung seines Arbeitsverhältnisses bei der HWS habe er eine Arbeitnehmerstellung innegehabt. Seine Tätigkeit als Vorstand sei nach Anweisung und unter Kontrolle des Aufsichtsrates erfolgt. Mit Aufsichtsratsbeschluss vom 22. Januar 2002 sei für Vorstände eine Kernarbeitszeit von 8.30 Uhr bis 17.00 Uhr, eine Kontrolle der Arbeitszeiten der Vorstände, eine Abstimmungs- sowie Genehmigungsverpflichtung für Urlaubsanträge der Vorstände sowie eine Abstimmungspflicht mit dem Aufsichtsrat für sämtliche Investitionen von mehr als 5000 € festgelegt worden. Das tatsächliche Arbeitsverhältnis sei nach Vorgaben dieses Aufsichtsratsbeschlusses ausgestaltet gewesen. Die Terminierung des Urlaubs habe sowohl mit dem Vorstandskollegen als auch mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats abgestimmt werden müssen. Seine Arbeitnehmerstellung ergebe sich auch daraus, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle vertraglich vereinbart gewesen sei. Eine eventuelle Nebentätigkeit hätte vorab durch den Aufsichtsrat genehmigt werden müssen. Seine tatsächliche Stellung sei der Rechtsstellung eines Fremdgeschäftsführers einer GmbH gleichzusetzen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2003 wies die AA den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 12. November 2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Er hat im wesentlichen die Begründung aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, nach der Eintragung vom 22. Januar 2002 in das Handelsregister Abteilung B des Amtsgerichts Karlsruhe (HRB 37/39) sei der Kläger zum zweiten Vorstandsmitglied bestellt worden. Nach der Eintragung im Handelsregister sei er stets alleinvertretungsberechtigt gewesen und habe die HWS bei der Vornahme von Rechtsgeschäften als Vertreter eines Dritten uneingeschränkt vertreten können. Mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen diesen den Bevollmächtigten des Klägers am 7. März 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 7. April 2006 schriftlich beim Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit der er sein Vorbringen wiederholt. Er habe zu keinem Zeitpunkt Aktienanteile an der HWS gehabt, so dass die Ausgestaltung sein...

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