Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Verfügbarkeit. Leistungsfähigkeit. Prognose. Änderung. Arbeitslosengeldanspruch. Minderung der Leistungsfähigkeit. Nahtlosigkeitsregelung. Aufhebung des Verwaltungsaktes. keine wesentliche Änderung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Voraussetzungen für die sich aus § 125 SGB II ergebende Fiktion der objektiven Verfügbarkeit sind erfüllt, solange - bei nicht festgestellter verminderter Erwerbsfähigkeit - nicht zweifelsfrei eine nur vorübergehende, also nicht mehr als 6-monatige Verminderung der Leistungsfähigkeit vorliegt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2006, L 4 AL 57/04, m.w.N., zit. nach juris)

2. Ändert die Bundesagentur für Arbeit nach Erlass einer Bewilligungsentscheidung ihre Beurteilung in Bezug auf die Erwerbsfähigkeit eines Leistungsempfängers, stellt dies allein keine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X dar und berechtigt damit nicht zur Aufhebung von Bewilligungsbescheiden.

 

Normenkette

SGB III § 125; SGB X §§ 45, 48

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte im Januar 2006 zu Recht das der Klägerin ab 13.11.2005 bewilligte Arbeitslosengeld aufgehoben und die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zukunft abgelehnt hat.

Die 1956 geborene Klägerin meldete sich am 20.10.2005 arbeitslos und beantragte mit Wirkung vom 13.11.2005 Arbeitslosengeld. Sie gab an, sie sei zurzeit bis 06.11.2005 arbeitsunfähig geschrieben. Sie sei bei K. Kosmetik GmbH in K. als Produktionsarbeiterin beschäftigt gewesen. Sie beziehe Krankengeld und werde zum 12.11.2005 ausgesteuert. Die Tätigkeit aus ihrer letzten Beschäftigung könne zwar weiter ausgeübt werden, sie könne jedoch schlecht laufen, sitzen und stehen. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht erfolgt.

Mit Bescheid vom 25.11.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld ab 13.11.2005 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 19,40 € für die Dauer von 660 Kalendertagen. Eine Regelung hinsichtlich einer etwaigen Vorläufigkeit der Bewilligung enthält der Bescheid vom 25.11.2005 nicht.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. E. L. erstattete am 09.12.2005 für die Agentur für Arbeit Offenburg die gutachterliche Äußerung, wobei sie den Reha-Entlassungsbericht der Klinik Ü., I. vom 19.10.2005 und einen Bericht der Dres. E./P. berücksichtigte. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Klägerin kam sie zu dem Ergebnis, diese sei derzeit nicht leistungsfähig. Unter adäquater Behandlung sollte dennoch in den nächsten sechs Monaten mit einer Stabilisierung gerechnet werden können. Bei einem am 08.12.2005 persönlich mit der Klägerin geführten Gespräch sei zu erfahren gewesen, dass die Klägerin zum 12.11.2005 aus dem Krankengeldbezug der Krankenkasse ausgesteuert und von dieser aufgefordert worden sei, sich bei der Agentur für Arbeit zu melden. Die Klägerin halte sich weiterhin für arbeits- und leistungsunfähig. Eine adäquate Schmerzbehandlung finde jedoch erst seit 14 Tagen statt. Dr. L. empfahl die stufenweise Wiedereingliederung am noch erhaltenen Arbeitsplatz über den Rentenversicherungsträger.

Mit Bescheid vom 16.01.2006 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 25.11.2005 auf und begründete dieses damit, dass der Klägerin Arbeitslosengeld bisher nach § 125 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der Annahme gewährt worden sei, dass sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit nur noch Beschäftigungen in einem Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich ausüben könne oder mindestens 15 Stunden bis unter 30 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht mehr unter Bedingungen ausüben könne, die auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarkt üblich seien. Zur Klärung der Leistungsfähigkeit sei am 09.12.2005 durch den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit ein ärztliches Gutachten erstellt worden. Der Inhalt des Gutachtens sei der Klägerin bereits durch ihre Arbeitsvermittlerin (Frau W.) eröffnet worden. Es sei keine, voraussichtlich länger als sechs Monate andauernde Leistungsunfähigkeit im Sinne der Nahtlosigkeitsregelung des § 125 Abs. 1 SGB III festgestellt worden. Im Gutachten habe der Ärztliche Dienst die Leistungsfähigkeit der Klägerin mit einer voraussichtlichen fehlenden Leistungsfähigkeit bis zu sechs Monaten beurteilt. Die o.g. Nahtlosigkeitsregelung könne daher nicht weiter angewandt werden. Die Entscheidung über die Bewilligung des Arbeitslosengeldes sei daher wegen fehlender Arbeitsfähigkeit/Verfügbarkeit für die Zukunft aufzuheben. Die Zahlung des Arbeitslosengeldes habe daher ab 19.01.2006 eingestellt werden müssen. Die Rechtsgrundlage ergebe sich aus §§ 115, 125 SGB III i.V.m. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sofern sie wieder arbeitsfähig sei, sei eine erneute Arbeits...

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