Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Höhe. nachgeburtliches Einkommen. nichtselbständige Erwerbstätigkeit. Gewinne aus Veräußerung eines Gewerbebetriebs. Ungleichbehandlung gegenüber abhängig Beschäftigten. Anrechnung von Vorschussleistungen. Rückforderung zu viel gezahlten Elterngelds

 

Leitsatz (amtlich)

1. Soweit aufgrund einer vorläufigen Leistungsbewilligung Elterngeld bezahlt wurde, sind diese Zahlungen auf die endgültig bewilligte Leistung anzurechnen; zu viel gezahlte Vorschüsse sind zu erstatten.

2. Zu den bei der Ermittlung des (nachgeburtlichen) Einkommens zu berücksichtigenden Einnahmen gehören auch Gewinne, die aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs erzielt werden.

 

Orientierungssatz

Eine gegen den Gleichheitssatz in Art 3 Abs 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung liegt weder darin, dass die Erlöse aus privaten Veräußerungsgeschäften bei abhängig Beschäftigten nicht zu berücksichtigen wären, noch darin, dass bei der Einkommensermittlung abhängig Beschäftigter nach § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF vom 5.12.2006 "sonstige Bezüge" im Sinne des § 38a Abs 1 S 3 EStG (zB Weihnachts- und Urlaubsgeld) keine Beachtung fänden.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 07.06.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes.

Die verheiratete Klägerin ist Mutter des 2008 geborenen M. Sie lebt mit M und einem weiteren leiblichen Kind, das am 2005 geboren wurde, in einem gemeinsamen Haushalt in Deutschland. Die Klägerin betreut und erzieht ihre Kinder.

Vor der Geburt ihres Sohnes M hatte die Klägerin Einkünfte aus dem seit 1999 betriebenen selbstständigen Gewerbe eines Automatenaufstellers. Im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2007 ist der Gewinn der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 46.631,00 € ausgewiesen. Steuern sind auf diesen Betrag nicht entfallen. Seit September 2003 hatte die Klägerin außerdem Einkünfte aus nichtselbstständiger geringfügiger Beschäftigung. Die Bezüge für die abhängige Beschäftigung betrugen im maßgeblichen Zeitraum monatlich 300,00 € brutto. Sie wurden nach Steuerklasse V versteuert und betrugen netto monatlich 263,82 €.

Nach der Geburt ihres Sohnes M erzielte die Klägerin vom 17.11.2008 bis 08.09.2009 laut Arbeitgeberbescheinigung vom 29.01.2010 Einkünfte aus nichtselbstständiger geringfügiger Beschäftigung in Höhe von insgesamt 2.930,00 € brutto bzw. 2.602,94 € netto. Daneben war sie in ihrem Gewerbebetrieb tätig. In der Zeit vom 09.09.2008 bis 31.12.2008 erzielte sie einen Verlust in Höhe von 29.412,83 €. Für die Zeit vom 01.01.2009 bis 08.09.2009 ergab sich nach den eigenen Angaben der Klägerin ein Gewinn in Höhe von 59.610,59 €. Der Gewinn beruhte maßgeblich auf dem Verkauf der Spielhalle “T„ am 04.04.2009. Als Veräußerungserlös floss der Klägerin im April 2009 ein Betrag in Höhe von 160.500,00 € zu.

Am 01.10.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Elterngeld für M. Sie beantragte als alleiniger Elternteil für zwölf Monate ab der Geburt Elterngeld aus Erwerbseinkommen vor der Geburt.

Mit Bescheid vom 03.02.2009 bewilligte die Beklagte vorläufig Elterngeld ab dem 09.09.2008 für die Dauer von zwölf Monaten in Höhe von 1.679,76 €. Hiergegen legte die Klägerin am 25.02.2009 Widerspruch ein. Es müsse das maximale Elterngeld in Höhe von monatlich 1.800,00 € gezahlt werden.

Am 09.04.2009 erließ die Beklagte einen weiteren “Änderungsbescheid„, nachdem die Klägerin den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2007 vorgelegt hatte. Eine inhaltliche Änderung ergab sich daraus nicht. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 25.02.2010 änderte die Beklagte den Bewilligungsbescheid ab und setzte das der Klägerin zustehende Elterngeld auf 300,00 € monatlich fest. Den Vorbehalt hob die Beklagte auf. Den zu viel gezahlten Betrag in Höhe von 16.557,12 € forderte die Beklagte zurück. Zur Begründung gab die Beklagte an, das Einkommen vor der Geburt beliefe sich auf 4.073,07 €, womit nur der Höchstbetrag von 2.700,00 € zum Ansatz komme. Dem stünde ein durchschnittliches Einkommen nach der Geburt von 5.287,93 € gegenüber. Elterngeld könne daher nur in Höhe des Mindestbetrages gezahlt werden. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 25.03.2010 Widerspruch ein. Der Erlös aus der Veräußerung von Betriebsteilen dürfe nicht mit berücksichtigt werden. Am 13.04.2010 zahlte die Klägerin den geforderten Betrag an die Beklagte zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2010 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück. Es komme allein auf die steuerliche Einordnung der Einkünfte an. Auch der erzielte Erlös durch den Verkauf einer Teilbetriebsstätte sei als Einkommen aus Gewerbebetrieb anzusehen und somit im Bezugszeitraum anzurechnen.

Hiergegen hat die Klägerin am 05.07.2010 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, der Erlös aus der Teilbetriebsveräußerung dürf...

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