Entscheidungsstichwort (Thema)

Wunsch- und Wahlrecht nach § 9 SGB 9. Bewilligung einer stationären Rehabilitationsleistung in einer Klinik, mit der kein Vertrag besteht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das den Leistungsberechtigten nach § 9 SGB 9 gewährleistete Wunsch- und Wahlrecht besteht nur in Bezug auf Einrichtungen nach § 15 SGB 6.

2. Die Bewilligung einer stationären Reha-Leistung in einer Klinik, mit der kein Vertrag besteht, kommt nur dann als einzig rechtmäßige Entscheidung des Rentenversicherungsträgers (Ermessensreduzierung auf Null) in Betracht, wenn keine vom Rentenversicherungsträger selbst betriebene Einrichtung oder keine Vertragsklinik die erforderlichen Maßnahmen erbringen könnte.

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz 1 vgl LSG Stuttgart vom 21.8.2012 - L 11 R 5319/11 und LSG Hamburg vom 7.8.2013 - L 2 R 173/11.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 08.05.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation in Form einer Familienrehabilitation.

Der 1970 geborene Antragsteller zu 1) und die 1987 geborene Antragstellerin zu 2) sind verheiratet und Eltern der am 2012 geborenen Antragstellerin zu 3). Der Antragsteller zu 1) ist versicherungspflichtig beschäftigt als Tragwerksplaner, die Antragstellerin zu 2) bezieht seit 2012 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Antragstellerin zu 3) leidet an einer psychomotorischen Entwicklungsstörung, Großwuchs und Makrocephalie. Bei ihr sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen “aG„, “G„, “B„ und “H„ anerkannt.

Die AOK Baden-Württemberg lehnte mit Bescheid vom 04.06.2013 einen von der Antragstellerin zu 2) gestellten Antrag auf eine Mutter-Kind-Kur ab, da dies nicht die geeignete Maßnahme zur Verbesserung der schwierigen psychosozialen Belastungssituation sei.

Die Antragsteller beantragten daraufhin bei der Beklagten eine Reha-Maßnahme für die gesamte Familie. Die Beklagte ließ eine nervenärztliches Gutachten durch Dr. D. erstellen (Gutachten vom 02.12.2013) und bewilligte sodann mit Bescheid vom 09.10.2014 dem Antragsteller zu 1) eine stationäre Reha-Maßnahme für die Dauer von 5 Wochen in D.. Der Antragstellerin zu 2) bewilligte sie mit Bescheid vom 10.01.2014 ebenfalls eine 5-wöchige stationäre Maßnahme in der C. Klinik Sch. und stellte mit weiterem Bescheid vom 27.01.2014 klar, dass Unterkunft und Verpflegung für die begleitende Antragstellerin zu 3) übernommen werde.

Die Antragsteller erhoben dagegen jeweils Widerspruch und verwiesen auf eine begehrte Maßnahme als Familie. Mit Änderungsbescheid vom 24.02.2014 bewilligte die Beklagte sodann den Antragstellern zu 1) und 2) eine 5-wöchige stationäre Reha-Maßnahme in einer psychosomatischen Fachklinik in Bad K.. Die Klinik hatte zuvor auf Anfrage der Beklagten bestätigt, dass sie ein Ehepaar mit begleitendem behinderten Kind aufnehmen könne. Dagegen erhoben die Antragsteller erneut Widerspruch, ua mit Blick auf die Entfernung von ihrem Wohnort. Die nahegelegene Fachklinik Ka. sei für ihren Fall optimal geeignet. Das Widerspruchsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Am 10.04.2014 haben die Antragsteller zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben (S 4 R 1724/14) und zugleich Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Sie begehren die Gewährung einer 5-wöchigen Maßnahme in der Klinik Ka. und wenden sich zudem gegen das Gutachten von Dr. D.. Dieses dürfe nicht verwertet werden.

Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern mit Schreiben vom 14.04.2014 mitgeteilt, dass mit der Klinik Ka. kein Vertrag bestehe. Dem Wunsch könne daher nicht entsprochen werden. Nach Rücksprache mit der Klinik A. in Bad Sa. sei diese bereit, die Antragsteller zu 1) und 2) über den Rentenversicherungsträger und die Antragstellerin zu 3) im Rahmen einer Bewilligung der Krankenversicherung (erteilt von der Techniker Krankenkasse) aufzunehmen. Diese Reha-Einrichtung verfüge über ein familienpsychotherapeutisches Konzept und liege auch wohnortnäher. Wenn die Antragsteller einverstanden seien, würden umgehend Umstellungsbescheide erteilt. Hinsichtlich des Gutachtens von Dr. D. habe die Antragsgegnerin ein Weitergabeverbot notiert und das Gutachten auch von der Klinik Bad-K. zurückgefordert.

Mit Beschluss vom 08.05.2014 hat das SG die Anträge abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Inhalt der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation stehe grundsätzlich im Ermessen der Antragsgegnerin. Ein Anspruch auf Durchführung der Maßnahme in der gewählten Klinik sei nur gegeben, wenn dies die einzige ermessensfehlerfrei zu treffende Entscheidung der Antragsgegnerin gewesen wäre. Eine solche Konstellation sei hier nicht ersichtlich. Nach § 15 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) würden die stationären Leistungen in Einrichtungen erbracht, die vom Träger der Rentenversicherung selbs...

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