Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. kein Feststellungsinteresse. (vermutete) Befangenheit eines Sachbearbeiters kein Nichtigkeitsgrund iS des § 40 SGB 10. Sozialhilfe nach dem BSHG. keine Anwendbarkeit von § 44 SGB 10

 

Orientierungssatz

1. Mit einer Feststellungsklage kann unter anderem die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein solches besonderes Feststellungsinteresse besteht nicht, wenn der Kläger zur Geltendmachung seiner vermeintlichen Ansprüche bereits Klagen erhoben hatte, diese aber erfolglos waren bzw abgewiesen worden sind.

2. Die Nichtigkeit der Verwaltungsakte des Sozialhilfeträgers (hier: Ablehnungsbescheide) ist aufgrund von § 1 Abs 1 S 1 SGB 10 nach § 40 SGB 10 zu bewerten, nicht hingegen nach §§ 44ff VwVfG BW.

3. Stellt schon die Mitwirkung ausgeschlossener Person gem § 40 Abs 3 Nr 2 SGB 10 keinen Nichtigkeitsgrund dar, so bedingt auch die Mitwirkung von Personen, bei denen die Besorgnis der Befangenheit iS des § 17 SGB 10 besteht, keine Nichtigkeit (vgl BSG vom 28.9.1993 - 1 RR 3/92 = BSGE 73, 112 = SozR 3-1300 § 40 Nr 1).

4. Im Leistungsrecht des bis zum 31.12.2004 geltenden BSHG ist die Vorschrift des § 44 SGB 10 nicht anwendbar. Der diesbezüglichen ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) schließt sich der Senat für die Anwendung des BSHG an (Anschluss an BVerwG vom 13.11.2003 - 5 C 26/02 = FEVS 55, 320).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.09.2009; Aktenzeichen B 8 SO 16/08 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit von Bescheiden des Beklagten wegen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), hilfsweise die Aufhebung dieser Bescheide als rechtswidrig und Neubescheidung durch den Beklagten.

Der 1975 geborene Kläger befand sich vom 23. September 2002 bis 8. April 2004 in Haft. Er beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 26. April 2003 Hilfe gemäß § 72 BSHG zur Einlagerung seiner Möbel und seines Hausrats bis zum Ende seiner Haft und hilfsweise die Übernahme der Kosten für seine Unterkunft. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30. Juni 2003 ab, die Widersprüche des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbands vom 10. Dezember 2003 wegen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten; Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 31. März 2004 wegen der Hilfe nach § 15 a BSHG). Mit seiner hiergegen zum Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe (8 K 4434/03) erhobenen Klage machte der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten seiner Unterkunft in der Zeit von August 2002 bis März 2004 geltend sowie im Wege der Klageerweiterung die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für April 2004. Dies hatte der Beklagte wegen des bei Haftentlassung erhaltenen Überbrückungsgeldes in Höhe von 767,93 € abgelehnt (Bescheid vom 16. Juli 2004, Widerspruchsbescheid vom 26. November 2005). Das VG wies die Klage mit Urteil vom 21. Juni 2005 ab. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Berufungszulassung wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14. September 2005 - 12 S 1397/05) abgelehnt.

Am 22. Februar 2006 stellte der Kläger beim Beklagten Antrag "gemäß § 44 ff. Landesverwaltungsverfahrensgesetz (LVwVfG)" auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG. Zur Begründung führte er aus, dass die dem Urteil des VG Karlsruhe zugrunde liegenden Bescheide nichtig seien, das Verwaltungsverfahren sei daher wieder aufzugreifen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass das Amtsgericht Pforzheim mit Beschluss von Mai 2004 - 3 IK 40/04 - ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet habe. Mit Bescheid vom 3. März 2006 lehnte der Beklagte die Anträge ab, da das LVwVfG nicht anwendbar sei und über § 46 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nur ein Widerruf für die Zukunft erfolgen könne, nicht jedoch eine rückwirkende Leistungsgewährung. Der Kläger erhob Widerspruch und stellte Befangenheitsantrag gegen die zuständige Sachbearbeiterin des Beklagten. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Nichtigkeit der Bescheide könne nicht festgestellt werden und Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 LVwVfG lägen nicht vor.

Hiergegen hat der Kläger am 7. April 2006 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Vor dem VG Karlsruhe seien nur alte Bescheide angegriffen worden, in denen das Insolvenzverfahren noch gar nicht habe berücksichtigt werden können. Ein Urteil sei jedoch der materiellen Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den streitigen Anspruch ents...

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