3.5.1 Die Europäische Gesellschaft (SE)

Zunehmend führt die globalisierte Wirtschaft dazu, dass bei Firmengründungen ausländische Rechtsformen genutzt werden. Mit der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft[1] hat der europäische Gesetzgeber eine neue, neben den bisherigen Gesellschaftsformen mitgliedsstaatlich nationalen Rechts stehende, europäische Gesellschaftsform geschaffen.

Bei der Societas Europaea (SE = wörtlich: Europäische Gesellschaft, in Deutschland: Europäische Aktiengesellschaft) handelt es sich um eine Gesellschaft, deren Mindestkapital in Höhe von 120.000 EUR in Aktien zerlegt ist und daher die Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft hat. Damit entspricht die SE als große und wirtschaftlich starke Gesellschaft einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht.

Die SE kann mit einer monistischen oder dualistischen Verwaltungsstruktur aufgebaut sein. Dies erschwert den Vergleich mit einer AG nach deutschem Recht, weil hier lediglich der dualistische Aufbau mit je einem separaten Leitungs- und Aufsichtsorgan besteht.

Bewertung in der Renten- und Arbeitslosenversicherung

Beschäftigte Organmitglieder einer monistisch strukturierten SE, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, waren bis zum 31.3.2021 wegen der strukturellen Besonderheiten nicht den deutschen Vorstandsmitgliedern einer AG vergleichbar und daher in einer Beschäftigung nicht von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen und auch nicht arbeitslosenversicherungsfrei. Aufgrund zwischenzeitlicher Rechtsprechung unterliegen Mitglieder des Verwaltungsrates einer monistisch strukturierten SE ab dem 1.4.2021 nicht mehr der Rentenversicherungspflicht und sind versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung.[2]

Für Mitglieder des Leitungsorgans einer dualistisch strukturierten SE, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, ist eine Bewertung wie bei den Mitgliedern des Vorstands einer deutschen AG möglich. Sie sind nicht rentenversicherungspflichtig[3] und auch arbeitslosenversicherungsfrei.[4]

3.5.2 Mitglieder von Organen EU-mitgliedsstaatlicher Kapitalgesellschaften

Mit der versicherungsrechtlichen Beurteilung in Deutschland beschäftigter Mitglieder von Organen einer ausländischen Kapitalgesellschaft hat sich das Bundessozialgericht befasst.[1] Dabei ging es konkret um die versicherungsrechtliche Beurteilung eines Mitglieds des Board of Directors (BoD) einer irischen Kapitalgesellschaft in Form einer private limited company in seiner Beschäftigung für die Gesellschaft in Deutschland. Hierzu hat das BSG entschieden, dass in Deutschland beschäftigte Mitglieder des Board of Directors (BoD) einer private limited company irischen Rechts auch unter Berücksichtigung des Rechts der Europäischen Gemeinschaft nicht wie Mitglieder eines Vorstands einer deutschen AG von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgenommen sind.

Grundsätze für die Anwendung des deutschen Rechts

Zur methodischen Entwicklung seiner Entscheidung hat sich das BSG intensiv mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften auseinandergesetzt. Daraus lassen sich folgende Grundsätze zusammenfassen:

  • Die Ausnahmebestimmungen des § 1 Satz 3 SGB VI und des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf beschäftigte Organmitglieder ausländischer Kapitalgesellschaften weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Zu den Mitgliedern des Vorstands einer AG im Sinne dieser Regelungen gehören nur solche einer bestehenden AG deutschen Rechts.
  • Das der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EGVtr immanente Diskriminierungsverbot gebietet nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die Beschäftigten mitgliedsstaatlicher Kapitalgesellschaften in Bezug auf die Versicherungspflicht oder auch Versicherungsfreiheit grundsätzlich gleichbehandelt werden müssen.
  • Für eine tatbestandliche Gleichstellung bedarf es einer gesetzlichen Äquivalenzregel aus einschlägigem, unmittelbar zu beachtendem – ggf. internationalem – Recht, einschließlich dem Gemeinschaftsrecht; eine Tatbestandsgleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ist nicht gestattet.
  • Der europäische Gesetzgeber hat (allein nach der Rechtsform von Kapitalgesellschaften unterschieden) ausländische Kapitalgesellschaften mit der deutschen AG und der deutschen GmbH gleichgesetzt.[2]

Statusrechtliche Gleichstellung gegenüber dem Vorstand einer deutschen AG bzw. der Geschäftsführung einer deutschen GmbH

Damit sind nur Organmitglieder ausländischer Gesellschaften gleichzustellen, die

  • im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft
  • Organ einer mitgliedsstaatlichen Kapitalgesellschaft sind,
  • die einer AG bzw. einer GmbH deutschen Rechts vergleichbar ist.

Beschäftigte Organmitglieder dieser Gesellschaftsformen werden daher – unabhängig von der Bezeichnung ihrer jeweiligen Organfunktion – statusrechtlich dem Vorstand einer deutschen AG bzw. der Geschäftsführung eine...

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