Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizeitabgeltung von Überstunden im öffentlichen Dienst durch einseitige Freistellung der schwangeren Arbeitnehmerin bei Beschäftigungsverbot nach Mutterschutzgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kann eine Arbeitnehmerin, für die auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz ein Beschäftigungsverbot nach § 4 Abs. 1 MuSchG besteht, nach § 43 Abs. 1 TVöD-BT-V unter Anrechnung von Zeitausgleich aus dem Stundenkonto freistellen, auch wenn er ihr zuvor nicht eine konkrete anderweitige Tätigkeit zugewiesen hat.

2. Eine Freistellung ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer überhaupt nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet ist.

 

Normenkette

MuSchG § 4 Abs. 1; TVöD-BT-V § 43 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 15.01.2013; Aktenzeichen ö. D. 2 Ca 1766 b/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 15.01.2013 - ö. D. 2 Ca 1766 b/11 -

wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin betreffend die Auszahlung von Überstunden sowie den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Die Klägerin ist seit dem 01.09.2009 bei der Beklagten auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Bl. 10 f. d. A.) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich ausweislich § 2 des Arbeitsvertrags nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich der besonderen Regelungen für die Verwaltung (TVöD-BT-V). Die Klägerin war zuletzt eingesetzt als 3. Nautischer Offizier auf dem Betriebsstofftransporter "S.".

Bis zum 13.09.2010 leistete die Klägerin 407,75 Überstunden, die auf ihrem Zeitkonto gutgeschrieben wurden. Vom 14. bis 28.09.2010 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 20.09.2010 zeigte sie der Beklagten ihre Schwangerschaft an; voraussichtlicher Entbindungstermin war der 25.05.2011.

Aufgrund der Schwangerschaft und der daraus folgenden fehlenden Seediensttauglichkeit bestand für die Klägerin nach § 4 Abs. 1 MuSchG an Bord von Schiffen ein Beschäftigungsverbot.

Mit Schreiben vom 27.09.2010 (Bl. 44 f. d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, ein Einsatz an Bord der "S." sei nicht weiter möglich, andere Beschäftigungsmöglichkeiten würden geprüft. Ab Wiedergenesung würden die noch nicht abgegoltenen Überstunden "mit Freizeit abgegolten".

Ende September 2010 fand darüber hinaus zwischen der Klägerin und der zuständigen Sachbearbeiterin W. der Beklagten ein Telefonat über weitere Einsatzmöglichkeiten für die Klägerin statt. Die Klägerin bat darum, in der Nähe ihres Wohnortes P. verwendet zu werden. Frau W. teilte der Klägerin in diesem Gespräch mit, bis zu einer Entscheidung über ihren weiteren Einsatz solle die Klägerin Überstunden abbauen. Ob hierüber eine Vereinbarung getroffen wurde, ist zwischen den Parteien streitig.

Vom 08. bis 19.11.2010 gewährte die Beklagte Erholungsurlaub, ab dem 25.11.2010 bestand ein absolutes Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG. In die Zeit vom 29.09. bis 07.11. sowie vom 20. bis 24.11.2010 fielen 242,25 Arbeitsstunden, die die Beklagte vom Stundenkonto der Klägerin abzog. Vom 13.04. bis 25.05.2011 zahlte die Beklagte Zuschuss zum Mutterschaftsgeld an die Klägerin.

Tatsächlich war die Klägerin ab dem 14.09.2010 nicht mehr tätig; eine konkrete anderweitige Tätigkeit wurde ihr von der Beklagten nicht zugewiesen. Die Beklagte zahlte an die Klägerin neben der fortlaufenden Vergütung bis zum Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG Vergütung für 165,5 Überstunden aus.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe noch ein Anspruch auf Auszahlung weiterer 242,25 Überstunden, entsprechend 3.585,30 € brutto zu.

Hierzu hat sie die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nicht einseitig den Abbau von Überstunden durch Freizeitausgleich anordnen können. Da für sie keine Arbeitspflicht bestanden habe, habe sie hiervon zum Abbau von Überstunden auch nicht befreit werden können. Die Klägerin hat behauptet, eine Vereinbarung über den Abbau von Überstunden sei in dem Telefonat mit Frau W. Ende September nicht getroffen worden.

Weiter hat die Klägerin in erster Instanz gemeint, die nicht gezahlte Überstundenvergütung sei bei der Berechnung des "Mutterschaftsgeldes nach § 200 Abs. 2 S. 1 RVO" zu berücksichtigen. Insoweit stehe ihr ein weiterer Anspruch von 1.654,74 € brutto zu.

Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe in dem Telefonat mit Frau W. dem Abbau von Überstunden zugestimmt. Im Übrigen sei die Zuweisung einer konkreten Tätigkeit vor Anordnung des Freizeitausgleichs für Überstunden nicht erforderlich. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf die Akte Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe nach § 43 TVöD-BT-V die Klägerin einseitig zur Abgeltung von Überstunden freistellen dürfen. Einer konkreten vorherigen Arbeitszuweisung habe es nicht bedurft. Freize...

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