Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Kündigung. Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit. Wettbewerb. Außerordentliche Kündigung wegen Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verrichtet der Arbeitnehmer während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit Nebentätigkeiten, so kann ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund gegeben sein, wenn die Nebentätigkeit dem Wettbewerbsinteresse des Arbeitgebers zuwiderläuft, der Arbeitnehmer statt der Nebentätigkeit auch seine Leistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis hätte erfüllen können oder die Nebentätigkeit den Heilungsprozess verzögert (LAG Hamm, Urt. v. 08.03.2000, Az.: 18 Sa 1614/99, MDR 2000, 1140).

2. Eine verbotswidrige Wettbewerbstätigkeit liegt erst dann vor, wenn sie durch den Umfang und die Intensität der Tätigkeit auch grundsätzlich geeignet ist, das Interesse des Arbeitgebers, unbeeinflusst von Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers in seinem Marktbereich auftreten zu können, spürbar zu beeinträchtigen. Einmalige oder nur ganz sporadisch ausgeübte reine Freundschaftsdienste im Marktbereich des Arbeitgebers muss der Arbeitgeber in der Regel hinnehmen, wenn diese den arbeits- und wertmäßigen Umfang einer geringfügigen Gefälligkeit nicht übersteigen und unentgeltlich durchgeführt wurden.

 

Normenkette

BGB § 626; HGB § 60

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 14.06.2006; Aktenzeichen öD 4 Ca 443 b/06)

ArbG Kiel (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen öD 4 Ca 443 b/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Kiel vom 14. Juni 2006, Az. öD 4 Ca 443 b/06, abgeändert und festgestellt, dass durch die fristlose Kündigung des Arbeitgebers vom 02.03.2006 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung der Beklagten.

Der 55-jährige Kläger ist seit dem 01.04.1980 als Busfahrer bei der Beklagten zu einem durchschnittlichen Monatsgehalt von EUR 2.700,00 brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Nahverkehrsbetriebe K. V. (K.) und K. V. mbH (K.) vom 10.09.2002 (künftig: TV-N) Anwendung. Der Kläger genießt nach § 20 Abs. 6 TV-N tariflichen Kündigungsschutz. In § 4 TV-N sind – soweit hier von Belang – folgende allgemeine Pflichten geregelt:

㤠4 Allgemeine Pflichten

(2) Jede entgeltliche Nebenbeschäftigung muss dem Arbeitgeber rechtzeitig vor Ausübung schriftlich angezeigt werden. Der Arbeitgeber kann die Ausübung einer Nebenbeschäftigung untersagen, wenn sie geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des AN oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Eine Nebenbeschäftigung im Bereich allgemeiner Fahrdienst ist grundsätzlich nicht gestattet.

…”

Am 24.01.2006 erlitt der Kläger unverschuldet mit seinem Motorroller einen Verkehrsunfall, wobei er sich zwei Rippenbrüche, einen Bruch der Großzehe des rechten Fußes sowie eine Prellung des rechten Fußgelenkes zuzog. Der Kläger war daraufhin bis voraussichtlich den 06.03.2006 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Während der Arbeitsunfähigkeit rief der Taxiunternehmer F. den Kläger am Samstag, den 18.02.2006, an und fragte ihn, ob er ihm helfen könne. Die Telefonistin sei erkrankt und eine Ersatzkraft habe er nicht finden können. Der Kläger arbeitete sodann am 18.02.2006 von ca. 17:30 Uhr bis 3:20 Uhr des Folgetages in der Taxi-Funkzentrale. Hiervon erhielt die Beklagte durch einen anonymen Anruf Kenntnis, woraufhin sie den Kläger am 22.02.2006 unter Hinzuziehung des Betriebsratsmitglieds M. zu dem Vorfall anhörte. In dem Gesprächsprotokoll ist Folgendes festgehalten (Bl. 16 d. GA.):

„Herr S. begrüßt die Teilnehmer und erläutert, dass der Grund des Zusammentreffens der Arbeitsunfall vom 24.01.06 und die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit von Herrn H. ist und fragte, wie es ihm gesundheitlich ginge.

Herr H. antwortete: „Soweit ganz gut.”

Herr S. sagte dann, ihm wäre bekannt, dass Herr H. die Arbeit bei der KVG am 07.03.2006 wieder aufnehmen wird.

Herr S. sagte dann, es ginge aber in diesem Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit noch um einen anderen Aspekt.

Er stellt die Frage an Herrn H.: Was haben Sie am letzten Samstagabend gemacht?

Nach einigem Zögern sagte Herr H.: „Ich war zu Hause.”

Herr S. sagte: „Das stimmt nicht, Sie waren nicht Zuhause, sondern Sie haben in der Zeit von 17.30 Uhr bis 03.30 Uhr bei dem Taxiunternehmen F. gearbeitet.”

Herr H. antwortete: „Nein, ich habe dort nicht gearbeitet, ich habe meine Tochter besucht.”

Herr S. fragte: „Die ganze Zeit?”

Herr H. sagte: „Höchstens zwei Stunden.”

Herr S. fragte noch einmal nach: „Sie haben Ihre Tochter dort besucht und arbeiten nicht in dieser Firma? Ist das Ihre klare Aussage.”

Herr H. bestätigte dieses noch einmal und sagte, ich arbeite nicht nebenbei.

Herr S. sagte: Dann haben wir keine weiteren Fragen. Es stehen jetzt zwei...

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