Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung wegen Androhung einer Strafanzeige zwecks Erhalts eines Aufhebungsvertrages mit höherer Abfindung. Außerordentliche Kündigung, Androhung einer Strafanzeige. Erpressung, Nötigung. Aufhebungsvertrag, Abfindung, Vergütung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Drohung eines Arbeitnehmers mit einer Strafanzeige wegen Bestechung, Betrug, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, um die Befriedigung eigener, streitiger Vergütungsforderungen ohne arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit, deklariert als Abfindung, zu erreichen, stellt eine gravierende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht dar. Sie ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 29.03.2011; Aktenzeichen 6 Ca 3144/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.03.2011 – 6 Ca 3144/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung mit dem Vorwurf der versuchten Erpressung zwecks Herbeiführung eines Aufhebungsvertrages mit höherer Abfindung sowie um Zahlungsansprüche.

Der Kläger nahm am 01.06.2006 seine Tätigkeit bei der Beklagten als Vertriebsmitarbeiter auf. Er erhielt zuletzt eine monatliche Grundvergütung in Höhe von 3.000,– EUR brutto. In den zurückliegenden Jahren gab es zwischen den Parteien diverse Vertragsänderungen, die der Kläger stets unterzeichnete.

Am 23.11.2010 sprach der Kläger eine Eigenkündigung zum 01.06.2011 aus (Anlage K 6, Blatt 11 d. A.). Im Anschluss daran bot er der Beklagten den Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum 31.12.2010 gegen Zahlung einer Abfindung an. Am 25.11.2010 besprachen beide Parteien einen Aufhebungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2010 unter Freistellung ab 25.11.2010 bei Fortzahlung der Vergütung und gegen Zahlung einer Abfindung von 3.500,– EUR sein Ende finden sollte. Gemäß § 4 Abs. 2 dieses Vertrages sollte die Abfindung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig sein (Anlage K 10, Blatt 43 f d. A.). Der Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnete diesen Aufhebungsvertrag mit Datum vom 25.11.2010, der Kläger jedoch noch nicht. Ausweislich des Übergabeprotokolls vom 25.11.2010 händigte der Kläger der Beklagten das in seinem Besitz befindliche Firmeneigentum aus (Anlage K 7, Blatt 12 f d. A.).

Seit dem 25.11.2010 erbrachte der Kläger keine Arbeitsleistung mehr für die Beklagte.

Am 01.12.2010 besuchten der Kläger und der Geschäftsführer der Beklagten das Planungsbüro K. in E., um ein „Kundenübergabegespräch” zu führen. Im Anschluss daran tranken beide Parteien bei M. D. einen Kaffee. Bei dieser Gelegenheit begehrte der Kläger aus seiner Sicht rückständige Vergütungsansprüche im Wert von rund 30.000,– EUR (Klägerschriftsatz vom 28.02.2011, Seite 6 – Blatt 67 d. A.), u. a. weil er sich zu den zurückliegenden Vertragsänderungen genötigt gefühlt habe. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte er den eine Abfindung in Höhe von 3.500,– EUR regelnden Aufhebungsvertrag noch nicht unterschrieben (Protokoll des Gütetermins vom 03.02.2011 – Blatt 50 d. A.). Zwischen den Parteien wurde bei dieser Gelegenheit über die Abänderung des Aufhebungsvertrages und der dort ausgehandelten Abfindung gesprochen. Letztendlich stand eine Abfindung in Höhe von 20.000,– EUR im Raum. Details dieses Gesprächs sind streitig. Es ging aber unstreitig auch um sich im Besitz des Klägers befindliche Kopien von Firmendaten, gespeichert auf einer Festplatte, sowie die Stellung einer Strafanzeige seinerseits (Blatt 30 f, Blatt 84, 85, 86, 87, 38 d. A.).

Im Nachgang zu diesem Gespräch erstellte der Geschäftsführer der Beklagten den Aufhebungsvertrag neu, dieses Mal auf einen Abfindungsbetrag in Höhe von 20.000,– EUR. Er übermittelte ihn ohne Unterschriftsleistung seinerseits dem Kläger mit Kurzbrief vom 01.12.2010 mit folgendem Inhalt:

„Hallo A.,

anbei der geänderte Aufhebungsvertrag. Bitte unterschreibe die Schweigepflichterklärung (ist ja verschwunden). Nach Unterzeichnung treffen wir uns zum Austausch der Festplatte und Daten. Bis dann, T. P.”

(Anlage K 16, Blatt 84 d. A.).

Am 06.12.2010 warf der Kläger diesen Aufhebungsvertrag, von ihm nunmehr unterzeichnet, in den Firmenbriefkasten der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt hatte er den ursprünglichen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung von 3.500,– EUR noch nicht unterzeichnet. Dem zweiten Aufhebungsvertrag war folgendes Anschreiben des Klägers vom 06.12.2010 beigefügt:

„Sehr geehrter Herr P.,

in der Anlage erhalten Sie den von mir unterzeichneten Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010.

Nach Unterzeichnung und Rücksendung an meine Adresse erhalten Sie von mir die unterschriebene Schweigepflichterklärung. Dies versichere ich an Eides statt...

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