Entscheidungsstichwort (Thema)

Höchstpersönliches Einsichtsrecht in die Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Unbegründete Klage auf nachvertragliche Personalakteneinsicht des Prozessbevollmächtigten der Arbeitnehmerin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitnehmer hat gemäß § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Einsicht in seine vom ehemaligen Arbeitgeber weiter aufbewahrte Personalakte. Hierfür bedarf es auch keines konkreten berechtigten Interesses (BAG, Urt. v. 16.11.2010 - 9 AZR 573/09 -).

2. Das Akteneinsichtsrecht kann gegen den Willen des Arbeitgebers grundsätzlich nicht von einem Bevollmächtigten ausgeübt werden, d.h. grundsätzlich auch nicht von einem beauftragten Rechtsanwalt oder Gewerkschaftssekretär.

 

Normenkette

GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 611 Abs. 1; BetrVG § 83 Abs. 1 Sätze 1-2; TVöD § 3 Abs. 5 S. 2; TV-L § 3 Abs. 6 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 17.10.2013; Aktenzeichen 51 Ca 615 a/13)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.10.2013, Az.: 51 Ca 615 a/13, abgeändert und die noch rechtshängige Klage (Antrag zu Ziff. 3) abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 54 % und die Beklagte zu 46 %.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die Einsichtnahme des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in deren Personalakte.

Die jetzt 53-jährige Klägerin ist seit dem 01.05.1989 bei der Beklagten, die Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte betreibt, als Fleischereifachverkäuferin zu einem Monatsgehalt von € 1.600,00 brutto beschäftigt.

Die Beklagte erteilte der Klägerin mit Schreiben vom 27.07.2009 eine Abmahnung (Bl. 21 d. A.). Infolge einer Kundenbeschwerde erteilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 04.07.2012 eine weitere Abmahnung (Bl. 5 f. d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 05.12.2012 wies die Klägerin den mit der Abmahnung vom 04.07.2012 erhobenen Vorwurf zurück und reichte eine Gegendarstellung ein, wegen des Inhalts der Gegendarstellung wird auf Bl. 22 ff. d. A. verwiesen. Mit Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2013 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die Abmahnungen vom 27.07.2009 und 04.07.2012 aus ihrer Personalakte zu entfernen. Des Weiteren beantragte sie, ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten Einsicht in ihre Personalakte zu gewähren (Bl. 7 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 02.04.2013 teilte die Beklagte mit, dass sie an der Rechtmäßigkeit der Abmahnungen festhalte und der Klägerin Einsicht in ihre Personalakte gewähre und bat um Terminabsprache (Bl. 16 d. A.).

Mit ihrer am 23.04.2013 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.07.2009 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen,
  2. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 04.07.2012 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen,
  3. Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Einsichtnahme in ihre Personalakte durch Herrn Rechtsanwalt Dr. M., Kanzlei ..., H. Straße ..., H., zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren, insbesondere streitigen, Sach- und Streitstands in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 17.10.2013 in vollem Umfang stattgegeben. Die Beklagte sei verpflichtet, sowohl die Abmahnung vom 27.07.2009 als auch diejenige vom 04.07.2012 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Einsichtnahme in die Personalakte durch den von ihr namentlich benannten Prozessbevollmächtigten zu. Dieser Anspruch ergebe sich für Betriebe, in denen Betriebsräte gebildet seien, aus § 83 BetrVG, ansonsten aus einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht. Eine Einsicht in die Personalakte sei grundsätzlich durch die Arbeitnehmerin persönlich auszuüben. Diese sei aber auch berechtigt, sich zur Ausübung ihres Einsichtsrechts eines der Arbeitgeberin benannten Bevollmächtigten zu bedienen. Die Überprüfung, ob in der Personalakte ggf. Daten zu beseitigen oder zu korrigieren seien, sei angesichts der Vielzahl insoweit einschlägiger Rechtsnormen oder gerichtlicher Entscheidungen von einer Arbeitnehmerin in der Regel kaum sachgerecht durchzuführen. Sich in dieser Angelegenheit von einer arbeitsrechtlich informierten Person, z. B. einem Fachanwalt für Arbeitsrecht auf eigene Kosten vertreten zu lassen, sei angemessen. Da die Arbeitnehmerin berechtigt sei, Aufzeichnungen über den Inhalt der Personalakte zu fertigen, wäre es reine Förmelei, sie darauf zu verweisen, zunächst solche Aufzeichnungen zu erstellen und sodann diese zur weiteren Überprüfung ihrem Prozessbevollmächtigten vorzulegen.

Gegen das ihr am 01.11.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.11.2013 beim Landesarbeitsgeri...

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