Entscheidungsstichwort (Thema)

richtige Verfahrensart. Beschlussverfahren. Urteilsverfahren. Betriebsrat. Fahrtkostenerstattung. Reisezeiten. Baugewerbe. Fahrtzeiten. Verfahrensart

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfahrensart – Beschluss- oder Urteilsverfahren – richtet sich nach den Streitgegenständen. Dies ist von den Gerichten für Arbeitssachen von Amts wegen zu prüfen und – bei mehreren Streitgegenständen – jeweils gesondert zu entscheiden. Eine Trennung der Streitgegenstände kann notwendig sein.

2. Muss ein Betriebsratsmitglied, das in einem Betrieb tätig ist, der unter den Bundesrahmentarifvertrag Baugewerbe fällt, nach Ende seiner Tätigkeit auf der Baustelle noch zum Betriebssitz fahren, um dort an einer aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teilzunehmen, so kann für die aufgewendete Fahrtzeit von der letzten Baustelle zum Betriebssitz ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts begründet sein (§ 37 III 1 BetrVG)

3. Macht ein Betriebsratsmitglied Ansprüche gemäß § 40 BetrVG geltend, so ist im Beschlussverfahren regelmäßig der Betriebsrat als Organ zu beteiligen.

 

Normenkette

ArbGG § 65; BetrVG §§ 44, 37 Abs. 3; BRTV Baugewerbe § 3 Ziff. 4; BetrVG § 40; BRTV Baugewerbe § 7 Ziff. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 09.06.2012; Aktenzeichen 4 BV 26 a/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 09.06.2011 – 4 BV 26 a/11 – teilweise abgeändert.

Die Beteiligte zu 2) wird verurteilt, dem Beteiligten zu 1) 9,5 Stunden bezahlten Freizeitausgleich zu gewähren.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 1) (Antragsteller) ist Mitglied des im Betrieb der Beteiligten zu 2) (Arbeitgeberin) gebildeten Betriebsrates. Dieser wiederum ist der Beteiligte zu 3), den das Beschwerdegericht erstmals in das Verfahren einbezogen hat.

Die Beteiligten streiten um die Vergütung von Fahrtzeiten und die Erstattung der für diese Fahrtzeiten aufgewendeten Fahrtkosten, die der Antragsteller als Mitglied des Betriebsrates geltend macht.

Die Arbeitgeberin betreibt ein Bauunternehmen. Ihr Betrieb fällt unter den Anwendungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (nachfolgend BRTV-Bau). Sie hat ihren Sitz in N.. Der Antragsteller wohnt in K.. Die Strecke zwischen seiner Wohnung in K. und N. zum Betriebssitz beträgt 30 km. Die Arbeitgeberin setzt ihre Arbeitnehmer auf vielen vom Betriebssitz in N. entfernten Baustellen ein. Dafür stellt sie für die Mitarbeiter einen Sammeltransport vom Betriebssitz aus zu den einzelnen Baustellen zur Verfügung. Die Arbeitgeberin duldet es, dass der Antragsteller von seiner Wohnung direkt mit seinem Privatfahrzeug die Baustellen anfährt. Dies geschieht aus der Sicht des Antragstellers deshalb, weil er dadurch einen zeitlichen Vorteil erlangt.

Die Arbeitszeit auf den Baustellen endete regelmäßig vor 17.00 Uhr, wobei der Antragsteller in seiner Antragsschrift behauptete, üblicherweise werde um 16.15 Uhr Feierabend gemacht, während er später vorträgt, die Arbeitszeit ende um 15.45 Uhr.

In Abstimmung zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat fanden regelmäßig freitags um 17.00 Uhr am Betriebssitz der Arbeitgeberin in N. die Sitzungen des Betriebsrates statt. Wenn dies der Fall war, fuhr der Antragsteller zunächst morgens mit seinem Privatfahrzeug von der Wohnung zur Baustelle, sodann mit seinem Privatfahrzeug von der Baustelle zum Betriebssitz in N. und anschließend wiederum mit seinem Privatfahrzeug vom Betriebssitz in N. zur Wohnung zurück. Die anderen Arbeitnehmer nutzten den Sammeltransport der Arbeitgeberin.

Betriebsratssitzungen fanden statt am 19. April 2010, 22. April 2010, 11. Mai 2010, 7. Juni 2010, 13. Juli 2010, 27. Juli 2010, 26. August 2010, 14. September 2010, 21. September 2010 und 9. November 2010. Die Arbeitgeberin vergütete den Mitgliedern des Betriebsrates die Zeit der Betriebsratssitzung. Der Antragsteller meint, er habe auch Anspruch auf Vergütung für die Fahrtzeit von den Baustellen zum Betriebssitz und vom Betriebssitz nach Hause. Zudem seien ihm die Fahrtkosten von der Baustelle zum Betriebssitz und vom Betriebssitz zur Privatwohnung zu vergüten.

Am 19. April 2010, 22. April 2010, 11. Mai 2010 und 7. Juni 2010 war der Antragsteller tätig auf der Baustelle F. Landstraße in H. V.. Als Entfernung zwischen dieser Baustelle und dem Betriebssitz in N. gibt er 79 km und eine Fahrtzeit von einer Stunde an. Für seine Fahrtzeit von N. nach K. in die Privatwohnung wiederum benennt er eine halbe Stunde.

Am 13. Juli 2010, 22. Juli 2010, 26. August 2010, 14. September 2010 und 21. September 2010 war der Antragsteller auf der Baustelle W.weg in H. eingesetzt. Als Entfernung zwischen dieser Baustelle und dem Betriebssitz in N. nennt er 66 km und eine Fahrtzeit von einer Stunde.

Am 9. November 2010 war der Antragsteller auf der Ba...

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