Entscheidungsstichwort (Thema)

Massenentlassung. Ermittlung der Arbeitnehmerzahl

 

Leitsatz (redaktionell)

§§ 17, 18 KSchG sind unabhängig davon anwendbar, ob und wie viele der von anzeigepflichtigen Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer ein unmittelbares Anschlussarbeitsverhältnis begründet haben, selbst wenn nach dessen Begründung die Kündigungsfrist der streitbefangenen Kündigung noch läuft. Der Arbeitgeber muss gleichwohl die durch §§ 17, 18 KSchG begründeten Verpflichtungen einhalten, selbst wenn bei Nichtberücksichtigung dieser Arbeitnehmer die gesetzlichen Schwellenwerte nicht erreicht werden.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2, § 17 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2-3, § 18

 

Verfahrensgang

ArbG Stendal (Urteil vom 03.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 882/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts S vom 3. 3. 2009 – 3 Ca 882/08 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 22. 9. 2004 nicht beendet worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

Für den Kläger ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der 1959 geborene Kläger ist seit 1987 bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Rettungsassistent beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.616,56 Euro.

Die Parteien hatten vor dem Arbeitsgericht S zu dem Aktenzeichen 3 Ca 1410/04 bereits einen Kündigungsrechtsstreit geführt.

Dem Beklagten war am 6. 9. 2000 durch den hierfür zuständigen Landkreis S befristet bis zum 31. 12. 2004 auf der Grundlage der § 14, 17 des Rettungsdienstgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt für vier Jahre die Genehmigung zum Betrieb des Rettungsdienstes für die Rettungswachen S, H, T, O und Se erteilt worden. In diesem Rahmen wurde der Kläger von dem Beklagten eingesetzt. Zwei weitere Rettungswachen im Landkreis S wurden zu dieser Zeit von der J betrieben.

Am 12. 3. 2004 machte der Landkreis S öffentlich bekannt, dass er beabsichtige, zum 1. 1. 2005 die Genehmigung zur Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes zum Betreiben der sieben Rettungswachen, darunter auch die bisher von dem Beklagten betreuten Rettungswachen, neu zu erteilen. Gleichzeitig forderte der Landkreis S öffentlich auf, entsprechende Anträge bis zum 14. 4. 2004 bei seinem Ordnungsamt einzureichen. Der Beklagte beantragte innerhalb der Antragsfrist die Genehmigung zum Betreiben der Rettungswachen. Auch andere Interessenten, u. a. die J, beantragten die entsprechende Genehmigung.

Mit Schreiben vom 11. 6. 2004 teilte der Beklagte ihrem Betriebsrat im Hinblick auf die ihm befristet bis Jahresende 2004 erteilte Genehmigung zur Durchführung des Rettungsdienstes mit, es sei beabsichtigt, den Arbeitnehmern des Bereichs Rettungsdienst – mit Ausnahme von fünf namentlich benannten Betriebsratsmitgliedern und zwei weiteren namentlich aufgeführten Arbeitnehmern, welche Altersteilzeitverträge abgeschlossen haben – eine betriebsbedingte Kündigung zum 31. 12. 2004 auszusprechen. Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, er sei hierzu wegen der noch nicht getroffenen Entscheidung des Landkreises S über den/die künftige(n) Betreiber der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes ab 2005 zur Vermeidung erheblicher negativer betriebswirtschaftlicher Auswirkungen und unter Beachtung der für die meisten Arbeitnehmer einschlägigen sechsmonatigen tariflichen Kündigungsfrist gezwungen. Dem Schreiben war eine Liste mit Namen und Sozialdaten der betroffenen Rettungssanitäter und -assistenten beigefügt. Der Betriebsrat beriet noch am 11. 6. 2004 über die ihm mitgeteilten Kündigungsabsichten und widersprach ihnen unter Hinweis auf die noch laufende Ausschreibung des Landkreises S.

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15. 6. 2004 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. 12. 2004. Hiergegen klagte der Kläger beim Arbeitsgericht S (AZ. 2 Ca 1410/04).

Mit undatiertem, am 2. 9. 2004 bei dem Beklagten eingegangenen Schreiben teilte der Landkreis S dem Beklagten mit, dass sein Antrag vom 31. 3. 2004 auf Erteilung der Genehmigung zur Durchführung der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes geprüft worden, dass jedoch der Zuschlag einem anderen Anbieter auf der Grundlage eines wirtschaftlicheren Angebotes erteilt worden sei. Mit Bescheid vom 29. 9. 2004 teilte der Landkreis S dem Beklagten mit, dass dessen Widerspruch gegen die Entscheidung abgelehnt werde. Mit Schreiben vom 30. 9. 2004 übersandte der Landkreis S dem Beklagten die am selben Tage der Johanniter Unfallhilfe erteilte Genehmigung zur Durchführung des Rettungsdienstes für den Zeitraum 1. 1. 2005 bis 31. 12. 2008 für die Rettungswachen H, K, O, Se, S, T und Tangermünde.

Am 10. 9. 2004 legte der Beklagte dem Betriebsrat das ihm am 2. 9. 2004 zugegangene Schreiben des Landkreises S vor und eröffnete dem Betriebsrat, dass u...

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