Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigung. Herkunft, ethnische. Schadenersatz. Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft

 

Leitsatz (amtlich)

Der Umstand, dass der Arbeitgeber im bestehenden Arbeitsverhältnis eine vom Arbeitnehmer als Merkmalsträger geforderte Auskunft über die Gründe einer ungünstigeren Behandlung nicht erfüllt, kann jedenfalls zusammen mit anderen Tatsachen das Vorliegen einer vom Arbeitnehmer behaupteten Diskriminierung vermuten lassen.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 15 Abs. 1-2, §§ 22, 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 14.07.2010; Aktenzeichen 1 Ca 218/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.06.2012; Aktenzeichen 8 AZR 364/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 14.07.2010, Az.: 1 Ca 218/10, teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.491,50 Euro brutto abzüglich von 3.213,92 Euro netto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG unter dem Gesichtspunkt der Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft weiter.

Die am 05.02.1978 in der Türkei geborene Klägerin war seit dem 01.02.2008 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten, die insgesamt elf Bezirksverwaltungen betreibt, in deren Bezirksverwaltung in A-Stadt zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.569,00 EUR beschäftigt. In der Bezirksverwaltung A-Stadt werden 155 Mitarbeiter beschäftigt. Insgesamt beschäftigt die Beklagte 1800 Mitarbeiter. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Arbeitsvertrag vom 25.01.2008, demzufolge das Arbeitsverhältnis zunächst vom 01.02.2008 bis zum 31.12.2008 nach § 14 Abs. 2 TzBfG i. V. m. § 30 BG-AT befristet war. Mit Änderungsvertrag vom 11. November 2008 vereinbarten die Parteien eine befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin für den Zeitraum 01.11.2009 bis 31.01.2010. Im Anschluss an diese zweite Befristung wurde die Klägerin nicht in ein Dauerarbeitsverhältnis übernommen. Kurz nach der Klägerin wurde im März 2008 ebenfalls befristet die Mitarbeiterin Z. eingestellt. Deren Arbeitsverhältnis wurde im März 2009 entfristet. Ebenso wurde das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin Y. entfristet. Diese wurde sodann für ein Fortbildungsangebot ausgewählt, welches sich laut betrieblichem Aushang der Beklagten (Bl. 27 d. A.) an fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksverwaltung A-Stadt richtete. In der Bezirksverwaltung A-Stadt wurden während der Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin außer der Klägerin keine weiteren Arbeitnehmer nicht deutscher Herkunft beschäftigt. In den weiteren Bezirksverwaltungen werden zahlreiche Mitarbeiter ausländischer Herkunft aus 13 verschiedenen Nationen beschäftigt. In der Bezirksverwaltung A-Stadt wurde vom 18. Februar bis zum 6. Februar 2009 eine Praktikantin türkischer Herkunft beschäftigt.

Nach Ihrem Ausscheiden bei der Beklagten war die Klägerin bis 16.05.2010 arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld in Höhe von 3.213,92 EUR netto für den Zeitraum 01.02. bis 16.05.2010. Ab 17.05.2010 hat die Klägerin eine anderweitige Beschäftigung gefunden.

Unter dem 31.01.2010 erteilte die Beklagte der Klägerin ein Arbeitszeugnis (Bl. 96 d. A.). In diesem heißt es: „Frau A. erledigte die ihr übertragenen Aufgaben selbständig, sicher, termingerecht und zu unserer vollsten Zufriedenheit”.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 05.11.2009, auf das hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 28 ff. d. A.), forderte die Klägerin die Beklagte u. a. auf, die Ablehnung der Entfristung des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen und zu erläutern. Zugleich machte sie Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG geltend. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 13. Januar 2010 (Bl. 33 f. d. A.) antwortete die Beklagte wie folgt:

„Unsere Mandantschaft hat sich dazu entschlossen, das Arbeitsverhältnis Ihrer Mandantin nach dem Ablauf der zeitlichen Befristung am 31. Januar 2010 nicht weiter fortzusetzen. Hierzu bedarf es keiner Begründung.

Entgegen der Auffassung Ihrer Mandantin liegt kein Indiz für eine Benachteiligung wegen ihrer „ethnischen Herkunft” vor. Bei unserer Mandantin sind derzeit zahlreiche ausländische Arbeitnehmer aus etwa 13 Nationen tätig. Die ethnische oder religiöse Herkunft Ihrer Mandantin hat bei der Entscheidung unserer Mandantschaft, das befristete Arbeitsverhältnis nicht zu verlängern, keine Rolle gespielt.”

Mit ihrer am 2. Februar 2010 beim Arbeitsgericht Mainz eingegangen Klage hat die Klägerin Klage auf Schadensersatz und Entschädigung erhoben.

Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht:

Bei der Entscheidung, i...

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