Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Grenzen der Urlaubsansprüche lang andauernd erkrankter Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Urlaubsansprüche langandauernd erkrankter Arbeitnehmer erlöschen auch dann mit dem 31. März des zweiten Folgejahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat (vgl. LAG Hamm 24. Juli 2019 - 5 Sa 676/19).

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3-4; GRCh Art. 31 Abs. 2; RL 2003/88/EG Art. 7; TVöD § 26 Abs. 2 Buchst. a)

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 19.06.2019; Aktenzeichen 2 Ca 244/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.01.2023; Aktenzeichen 9 AZR 107/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19. Juni 2019, Az.: 2 Ca 244/19, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016.

Der 1955 geborene Kläger war seit dem 1. November 1989 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der TVöD Anwendung. In diesem Tarifvertrag in der für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassung heißt es zum Erholungsurlaub:

"§ 26 Erholungsurlaub

(1) Beschäftigte haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung des Entgelts (§ 21). Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage.

Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend.

Verbleibt bei der Berechnung des Urlaubs ein Bruchteil, der mindestens einen halben Urlaubstag ergibt, wird er auf einen vollen Urlaubstag aufgerundet; Bruchteile von weniger als einem halben Urlaubstag bleiben unberücksichtigt.

Der Erholungsurlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und kann auch in Teilen genommen werden.

(2) Im Übrigen gilt das Bundesurlaubsgesetz mit folgenden Maßgaben:

a) Im Falle der Übertragung muss der Erholungsurlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres angetreten werden. Kann der Erholungsurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit oder aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht bis zum 31. März angetreten werden, ist er bis zum 31. Mai anzutreten.

b) (...)".

Seit dem 18. Januar 2016 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Auflösungsvertrages vom 7. Februar 2019 (Bl 3 d. A.) mit Ablauf des 28. Februar 2019. § 2 dieses Auflösungsvertrages lautet:

"1. Für bestehenden Mindesturlaub aus 2017, Resturlaub aus 2018 und Januar und Februar 2019 erfolgt im Monat Februar 2019 eine Auszahlung.

Der Resturlaub 2016 ist strittig.

2. Nicht erbrachte Arbeitsstunden (...) werden bei der Auszahlung in Abzug gebracht.

3. Sonstige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis und seiner Beendigung bestehen nicht."

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Dezember 2018 (Bl. 12 f. d. A.) beantragte der Kläger u. a. Auszahlung des bestehenden Resturlaubs für das Jahr 2016, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 - Az. C-684/16 bzw. C-619/16, wonach Arbeitnehmer nicht automatisch ihren Urlaubsanspruch verlieren, weil sie bis zum Ende des Kalenderjahres keinen Urlaub beantragt haben.

Der Kläger verfolgte seinen Anspruch mit seiner am 4. März 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 8. März 2019 zugestellten Klage weiter.

Der Kläger war der Ansicht,

ihm stehe für 30 Urlaubstage aus dem Jahr 2016 bei einem Tagesentgelt in Höhe von 183,49 € brutto Urlaubsabgeltung in Höhe der Klageforderung zu.

Die Frage, ob er während des Bezugszeitraums vollumfänglich arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei oder nicht, habe nichts mit der Obliegenheit des Arbeitgebers zu tun, auf die Gefahr des Verfalls des Urlaubs bzw. dessen Inanspruchnahme hinzuweisen. Insbesondere im vorliegenden Fall, in dem seine Krankschreibung einzig und allein auf das Verhalten seines direkten Vorgesetzten und dessen Mobbinghandlungen zurückzuführen sei, habe für den Arbeitgeber keine Klarheit darüber bestanden, dass er im gesamten Jahr nicht doch ab einem gewissen Punkt wieder arbeiten kommen werde. Er war der Ansicht, die Regelung des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD sei rechtswidrig, da sie gegen Europarecht verstoße.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung für das Jahr 2016 in Höhe von 5.504,70 € brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht,

nachdem der Kläger den tariflichen Urlaub nicht entsprechend der Vorschrift des § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit habe antreten können, sei dieser verfallen. Darüber hinaus habe er auch keinen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs für das Jahr 2016. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG unionrechtskonform so auszule...

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