Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs bei Arbeitsunwilligkeit des erkrankten Arbeitnehmers nach unwirksamer Arbeitgeberkündigung. Urlaubsabgeltung im unwirksam gekündigten und fortbestehenden Arbeitsverhältnis und krankheitsbedingter Nichterfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist; der Anspruch setzt daher voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte.

2. Ein Arbeitnehmer, der nicht bereit ist zu arbeiten, erhält auch im Falle einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung keine Vergütung; die fehlende Leistungsbereitschaft steht einem Anspruch aus § 3 Abs. 1 EFZG ebenso wie dem Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB entgegen.

3. Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung mit der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug geraten, muss er zur Beendigung des Annahmeverzugs die versäumte Arbeitsaufforderung nachholen und dies mit der Erklärung verbinden, dass er die Arbeitsleistung als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses annimmt.

4. Der Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmer steht entgegen, wenn dieser die Forderung nach einem Verzicht auf die Wirkungen der Kündigung zur Bedingung der Arbeitsaufnahme macht; der Arbeitnehmer hat kein berechtigtes Interesse daran, bei einer Ungewissheit über die Wirksamkeit der Kündigung seine Arbeitsbereitschaft davon abhängig zu machen, dass der Arbeitgeber seinen Rechtsstandpunkt insgesamt aufgibt.

5. Bietet der Arbeitgeber trotz einer Kündigung der Art nach vertragsgemäße Arbeit an, kann die fehlende Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers deutlich werden, auch wenn der Arbeitgeber die Kündigung nicht "zurücknimmt".

6. Der Urlaub geht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur insoweit auf den Übertragungszeitraum über, als er wegen eines Übertragungsgrundes nicht mehr vollständig erfüllt werden kann; ansonsten erlischt der erfüllbare Teil mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres.

7. Anders als im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem unwirksamen gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub zu erteilen und zwar unabhängig davon, ob die Parteien einen Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führen.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4; EFZG § 3 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 06.05.2014; Aktenzeichen 8 Ca 2426/12)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.05.2014 - 8 Ca 2426/12 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung in Höhe von 910,74 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war beim Beklagten, der ein Obst- und Weingut betreibt, in der Zeit vom 01. Juli 2004 bis 31. März 2012 gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 2.152,65 EUR beschäftigt.

Die Parteien hatten in einem vor dem Arbeitsgericht Koblenz - 6 Ca 3512/11 - geführten Verfahren u.a. darüber gestritten, ob der Kläger das Arbeitsverhältnis mündlich am 12. Juli 2011 gekündigt hatte. In der Folgezeit kam es ab diesem Zeitpunkt zu keinem tatsächlichen Arbeitseinsatz des Klägers im Betrieb des Beklagten mehr. Im Gütetermin vom 09. November 2011 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Koblenz - 6 Ca 3512/11 - einen Teil-Vergleich (Bl. 41, 42 d. A.) mit auszugsweise folgendem Inhalt:

"Teil-Vergleich:

1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.

2. Der Beklagte meldet den Kläger rückwirkend zum 15. Juli 2011 wieder zur Sozialversicherung an.

3. (...)

4. (...)

5. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass der Beklagte seine Verpflichtung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz ab 01. August 2011 erfüllen wird. Diesbezüglich verpflichtet sich der Kläger, Kopien der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den Zeitraum vom 15. Juli 2011 bis heute unter Angabe der Ursachen der Erkrankungen dem Beklagten zu übergeben."

Mit Schreiben vom 09. November 2011 (Bl. 44 d. A.), das der Beklagte dem Kläger im Termin vom 09. November 2011 übergab, kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältn...

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