Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellungsverfahren. Einigungsstelle. Rechtschutzbedürfnis. Anrufung der Einigungsstelle ohne vorherige Verhandlung bei Leugnung betrieblicher Mitbestimmung durch Arbeitgeberin

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Anrufung der Einigungsstelle ist nicht in jedem Fall Voraussetzung, dass zuvor ergebnislos ein Einigungsversuch außerhalb der Einigungsstelle unternommen wurde. Es reicht aus, wenn ein Regelungsgegenstand nach der subjektiven Einschätzung einer Seite ohne Hilfe der Einigungstelle keiner Lösung zugeführt werden kann.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 76 Abs. 1, 5; ArbGG § 98 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 16.08.2012; Aktenzeichen 5 BV 40/12)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.08.2012, Az.: 5 BV 40/12, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über die Einrichtung und Besetzung einer Einigungsstelle.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt u.a. am Standort C-Stadt eine Spielbank. Der Beteiligte zu 1) als Antragsteller ist der an diesem Standort bestehende Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).

Die Arbeitgeberin ist aufgrund der Landesverordnung über den Spielbetrieb in öffentlichen Spielbanken, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 07. Oktober 2010 (im Folgenden: Spielordnung) verpflichtet, zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Spielbetriebs bestimmte Bereiche in Spielbanken mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) anhand der dort näher bezeichneten Vorgaben auszustatten. Sie hat aufgrund der zeitlich gemachten Vorgaben durch das Ministerium des Innern und für Sport des Landes Rheinland-Pfalz eine Videoüberwachungsanlage installieren lassen und will diese in Betrieb nehmen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Im Verfahren 12 BVGa 6/11 hat er vor dem Arbeitsgericht Koblenz am 14. April 2011 einen Beschluss gegen die Arbeitgeberin auf einstweilige Unterlassung der Inbetriebnahme einer optisch-elektronischen Einrichtung zur Raumüberwachung im Betrieb bis zur Einigung der Betriebspartner oder einem Spruch der Einigungsstelle erwirkt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin, die vor allem die Auffassung vertreten hat, wegen der abschließenden gesetzlichen Regelung in der Spielordnung sei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG ausgeschlossen, ist mit rechtskräftigem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. August 2011 - 9 TaBVGa 1/11 - zurückgewiesen worden. Auch im Hauptsacheverfahren 12 BV 44/11 obsiegte der Betriebsrat erstinstanzlich infolge Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz vom 18. Januar 2012. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin wurde durch zwischenzeitlich rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juni 2012, Az. 9 TaBV 10/12, ebenfalls zurückgewiesen. Mit ebenfalls rechtskräftigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts gleichen Datums im Verfahren Az. 9 TaBV 1/12 wurde der Antrag des Betriebsrats auf Erteilung des Einverständnisses zur Hinzuziehung eines Sachverständigen zurückgewiesen. Im Anhörungstermin vom 15.6.2012 vor dem Landesarbeitsgericht in den genannten Verfahren übergab der Betriebsrat an den Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin einen Entwurf einer Betriebsvereinbarung zur Videoüberwachung.

Mit Schreiben vom 16. Juni 2012 (Bl. 6 d.A.) forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin zur abschließenden Stellungnahme zur Betriebsvereinbarung bis zum 28. Juni 2012 auf und kündigte für den Fall der Ablehnung des Entwurfs oder der fehlenden Stellungnahme an, an diesem Tag das Scheitern der Verhandlungen beschließen und die Einigungsstelle anrufen zu müssen. Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 (Bl. 7 f. d.A.) teilte die Arbeitgeberin mit, der Entwurf sei am 19. Juni 2012 bei ihr eingegangen und die gesetzte Frist angesichts der urlaubsbedingten Abwesenheit des Geschäftsführers der Arbeitgeberin vom 02. Juli bis 25. Juli 2012 und des Prozessbevollmächtigten der Arbeitgeberin vom 29. Juni 2012 bis 18. Juli 2012 zu kurz. Zugleich wurde mitgeteilt, eine abschließende Stellungnahme zu dem Entwurf könne erst nach dem Urlaub erfolgen, der Geschäftsführer, der im Übrigen ein Abwarten der schriftlichen Begründung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juni 2012 anregte, werde unverzüglich nach seinem Urlaub auf den Betriebsrat zukommen. Der Betriebsrat fasste in seiner Sitzung vom 28. Juni 2012 einstimmig den Beschluss, die Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zur Betriebsvereinbarung für gescheitert zu erklären und die Einigungsstelle anzurufen. Dies teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 29. Juni 2012 (Bl. 9 f. d.A.) mit und forderte diese auf, bis 12. Juli 2012 Einverständnis mit dem Vorsitzenden (Vorsitzender Richter am Hessischen Landesarbeitsgericht G.) und der Zahl ...

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