Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Betriebsratsanhörung. Betriebsübergang. Widerspruch. Restmandat. Übergangsmandat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht ein Betrieb als Ganzes auf einen anderen Arbeitgeber über und widersprechen Arbeitnehmer diesem Betriebsübergang und werden daraufhin gekündigt, ist weder eine Anhörung des Betriebsrats des übergegangenen Betriebes noch eine solche des Betriebsrats des Hauptbetriebes erforderlich. Es ist weder eine entsprechende Anwendung des § 21b BetrVG (Restmandat) noch eine solche des § 21a BetrVG (Übergangsmandat) veranlasst.

2. Die Kündigung dieser widersprechenden Arbeitnehmer stellt unabhängig von der Zahl der gekündigten Arbeitnehmer keine interessenausgleichs- und sozialplanpflichtige Maßnahme dar.

3. Die in einer Sitzung des Wirtschaftsausschusses gemachte Äußerung des Arbeitgebers, die widersprechenden Mitarbeiter erhielten eine Abfindung gemäß einem bestehenden Sozialplan, lässt sich als "Zusage" nur dann interpretieren, wenn sie so verstanden werden musste, dass dies unabhängig von den Regelungen im Sozialplan der Fall sein solle. Ein Schadensersatzanspruch scheidet aus, wenn dem Geschäftsführer vor seiner Äußerung nicht deutlich gemacht wurde, dass diese Äußerung an die betroffenen Arbeitnehmer weitergegeben werden solle.

 

Normenkette

BetrVG §§ 102, 21a, 21b

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Urteil vom 11.02.2010; Aktenzeichen 1 Ca 724/09)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 11.02.2010 – Az. 1 Ca 724/09 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch betriebsbedingte Kündigung sowie hilfsweise über die Zahlung eines Anspruches auf Abfindung.

Der Kläger war seit 26.01.1970 bei der Beklagten als Qualitätsprüfer im Werk W., in dem mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt waren und in dem ein eigener Betriebsrat gebildet war, tätig. Zwischen der Beklagten, dem Gesamtbetriebsrat und den einzelnen örtlichen Betriebsräten bestand ein am 31.05.2005 abgeschlossener Rahmensozialplan, in dem, soweit vorliegend von Interesse, folgendes festgelegt ist (Anlage zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 13.11.2009, Bl. 36 ff. d.A.):

„Präambel

Zur Erhaltung der Standorte und deren Arbeitsplätze ist es erforderlich, die Firma für die nächsten Jahre im Wettbewerb der Automobilzulieferer am Markt neu auszurichten.

Insoweit getroffene Maßnahmen sollen u.a. zur Erreichung folgender Ziele beitragen:

Zwischen den Betriebsparteien besteht Einvernehmen, dass vor Anwendung des Rahmensozialplans unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zur Erhaltung der Arbeitsplätze dienende Maßnahmen geprüft werden und über eine Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG und die dadurch entstehenden Nachteile zuvor ein entsprechender Interessenausgleich vereinbart wird.

Über eine geplante Betriebsänderung i.S.d. § 111 BetrVG und die Inhalte der angestrebten Maßnahmen werden der Wirtschaftsausschuss, der Betriebsrat und der Gesamtbetriebsrat ordnungsgemäß nach § 106 und § 111 BetrVG informiert.

Die Mitbestimmungsrechte im Hinblick auf Interessenausgleichsverhandlungen gem. § 111 ff. BetrVG der für die einzelnen Standorte zuständigen örtlichen Betriebsräte bleiben uneingeschränkt bestehen.

§ 1 Geltungsbereich

1. Die Regelungen dieses Sozialplans gelten für alle Mitarbeiter der Standorte B., N., O., M., W. und G. sowie der Zentralbereiche und der angegliederten Modulcenter, die in einem ungekündigten und unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen und

a. deren Arbeitsverhältnis zur Umsetzung interessenausgleichspflichtiger Maßnahmen i.S.d. § 111 BetrVG durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung beendet oder aus gleichem Grund einvernehmlich aufgehoben wird,

b. oder deren Arbeitsverhältnis infolge interessenausgleichspflichtiger Maßnahmen i.S.d. § 111 BetrVG einvernehmlich oder durch eine arbeitgeberseitige betriebsbedingte Änderungskündigung abgeändert wird.

§ 2 Leistungen

2.b. (4) Abfindungszahlungen sind, soweit nichts anders vereinbart ist, mit der letzten Entgeltabrechnung, jedoch nicht vor Ablauf von 6 Wochen nach Zugang der Kündigung, fällig. Im Falle der Erhebung einer Kündigungsschutzklage erhalten Mitarbeiter Leistungen aus dem Sozialplan ggf. erst nach Rücknahme der Klage oder nach rechtskräftigem Urteil/Vergleich. Werden vom Arbeitsgericht andere Leistungen festgesetzt oder im Rahmen eines Arbeitsgerichtsverfahrens vereinbart, so werden die Leistungen aus diesem Sozialplan voll angerechnet.

…”

Zum 01.08.2009 fand ein Betriebsübergang des in W. gebildeten Betriebes auf die Firma Po. C. W. GmbH statt. Der Kläger wurde hierüber mit Schreiben vom 27.07.2009 informiert. Mit Schreiben vom 28.08.2009 widersprach der Kläger wie weitere neun Mitarbeiter dem Betriebsübergang. Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 31.08.2009 mit Wirkung zum 31.03.2010.

Mit seiner am 16.09.2009 beim Arbeitsgericht Weiden eingegangenen Klage hat der Kläger ...

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