Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung bei Nichterbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Erfordernis einer Abmahnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Kündigung ist durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht zu erwarten steht. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer sich beharrlich weigert, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

2. In der Regel setzen verhaltensbedingte Umstände vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung durch den Arbeitgeber voraus. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses eine positive Verhaltensänderung erreicht werden kann. Einer Abmahnung bedarf es allerdings nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung im Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 273 Abs. 1, § 320 Abs. 2, §§ 611, 622 Abs. 2 Nr. 5; BetrVG § 102 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 28.05.2019; Aktenzeichen 2 Ca 1336/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Würzburg vom 28.05.2019 - 2 Ca 1336/18 - abgeändert.

II. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.01.2019 nicht als außerordentliche Kündigung zum 29.01.2019, sondern als ordentliche Kündigung erst zum 30.06.2019 aufgelöst worden ist.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Die 1976 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Klägerin war bei der Beklagten seit 10.07.2004 auf Geringverdienerbasis beschäftigt, seit 01.02.2008 sozialversicherungspflichtig als Kinderbetreuung zu den Bedingungen des Formulararbeitsvertrages vom 18.10.2007 (Bl. 11 ff d.A.). Mit Zusatzvereinbarung vom gleichen Tag (Bl. 14 d.A.) vereinbarten die Parteien eine monatliche Arbeitszeit von durchschnittlich 90 Stunden, geführt in einem Jahresnettostundenkonto bei einem Gehalt von 758,00 € brutto monatlich.

Die Beklagte betreibt ein Möbelhaus und bietet Kinderbetreuung für die Kundschaft von Montag bis Freitag von 13:00 Uhr bis 18:30 Uhr sowie am Samstag für die gesamte Öffnungszeit von 09:30 bis 18:00 Uhr an. Die Klägerin arbeitete als Kinderbetreuung regelhaft am Donnerstag und Freitag von 13:30 Uhr bis 18:30 Uhr und am Samstag von 09:30 bis 18:00 Uhr. Die restlichen Stunden arbeitete sie nicht regelhaft.

Im Jahr 2002 gebar sie ihren ersten Sohn. Dieser ist behindert mit einem GdB von 80.

Nach Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten gebar sie im Jahr 2011 ihren zweiten Sohn. Im Anschluss daran war sie durchgängig in Elternzeit für diesen und einen dritten Sohn sowie in Pflegezeit für den Erstgeborenen und zuletzt in Pflegezeit für ihre Mutter vom 16.01.2018 bis 16.07.2018.

Am 15.06.2018 telefonierte die Klägerin mit der Personalleiterin der Beklagten wegen der Wiederaufnahme der Beschäftigung und teilte mit, dass sie wegen der Pflegesituation möglichst vormittags zwischen 09:00 Uhr und 12:00 Uhr arbeiten wolle. Dies lehnte die Personalleiterin telefonisch ab.

Mit E-Mail vom 26.06.2018 (Bl. 54 d.A.) teilte die Klägerin mit,

"dass es mir momentan leider nicht möglich ist (nach Beendigung der Pflegezeit), meine Arbeit wieder aufzunehmen.

Gerne würde ich, wenn es meine persönliche Situation wieder zulässt, auf Ihr Angebot zurückgreifen."

Mit E-Mail vom 27.06.2018 (Bl. 55 d.A.) äußerte die Personalleiterin ihr Bedauern über diese Entscheidung der Klägerin und erbat noch eine schriftliche Kündigung durch die Klägerin. Daraufhin entstand unter Einschaltung der späteren Prozessbevollmächtigten Streit um einen Anspruch der Klägerin auf Teilzeitbeschäftigung, der bis zum Ende der Pflegezeit am 16.07.2018 nicht der Klärung zugeführt werden konnte.

Die Klägerin nahm weder am ersten Tag nach Ende der Pflegezeit, dem 17.07.2018, noch am Donnerstag, dem 19.07.2018 die Arbeit auf. Sie erkrankte ab 17.07.2018 bis 19.08.2018 arbeitsunfähig an einer Lungenentzündung und legte entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für diesen Zeitraum mit Datum vom 24.07.2018 (Bl. 162 d.A.), 03.08.2018 (Bl. 163 d.A.) und vom 10.08.2018 (Bl.164 d.A.) jeweils der gleichen Arztpraxis vor. Die weitere Fortdauer der Erkrankung zeigte sie nicht an. Mit Schreiben vom 04.09.2018 (Bl. 30 d.A. des Parallelverfahrens) wurde sie abgemahnt, "weil sie jedenfalls seit dem 20.08.2018 unentschuldigt einer Beschäftigung nicht" nachkommt. In der Folgezeit legte sie eine ärztliche Bescheinigung vom 14.09.2018 derselben Arztpraxis (Bl. 165 d.A.) vor, ...

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