Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsatz von Testfahrern aufgrund werkvertraglicher Rahmenvereinbarung. Unbegründeter Antrag auf Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses bei unzureichenden Darlegungen zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Überlassung zur Arbeitsleistung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 1 Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn eine Verleiherin einer Entleiherin Arbeitskräfte zur Verfügung stellt, die in deren Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen der Entleiherin und in deren Interesse ausführen.

2. Bei dem Einsatz von Arbeitskräften im Rahmen eines Werk- oder Dienstvertrages wird die Unternehmerin für eine andere tätig und organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber der Drittunternehmerin verantwortlich.

3. Gegenstand des Werkvertrages kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein (§ 631 Abs. 2 BGB); für die Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Parteien maßgebend, wobei es maßgeblich darauf ankommt, ob eine Dienstleistung als solche oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird.

4. Ist die Auftragnehmerin nach dem Inhalt eines Rahmenvertrages verpflichtet, nach einer bestimmten Methode Erprobungsfahrten beanstandungsfrei durchzuführen und die so erhobenen Daten abzuliefern, schuldet sie einen durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführenden Erfolg; dieser durch Testfahrten herzustellende Erfolg steht im Vordergrund der Vertragsbeziehung, wenn die Datenermittlung für die Auftraggeberin und die Entwicklung ihrer Fahrzeuge im Hinblick auf Qualität und Haftung von entscheidender Bedeutung ist.

5. Vorgaben eines Lastenheftes zur Ausführung der Erprobungsfahrten im Einzelnen und im Rahmenvertrag festgeschriebene Prüfprogramme, die der Auftragnehmerin bei der Vertragsausführung kaum Spielraum lassen, sind keine Anzeichen für eine arbeitsrechtliche Weisungsunterworfenheit der eingesetzten Testfahrer; die Werkbestellerin ist im Rahmen eines Werkvertrages berechtigt, der Werkunternehmerin selbst oder auch deren Erfüllungsgehilfen Anweisungen zur Ausführung des Werks zu erteilen, wozu auch Weisungen gehören, die auf einem auswärtigen Prüfgelände eingesetzten Testfahrern von Arbeitnehmern der Auftraggeberin erteilt werden und die die fachgemäße Ausführung der Fahrten betreffen, um einwandfreie Messdaten zu erhalten, oder sich allein auf Fragen zum technischen Zustand der Fahrzeuge beziehen.

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 611 Abs. 1, § 631 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 19.03.2014; Aktenzeichen 7 Ca 111/13)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 19. März 2014 - 7 Ca 111/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zustande gekommen ist, und daneben, soweit im Berufungsverfahren von Belang, um Auskunftsansprüche zur Höhe eines vergleichbaren Arbeitnehmers und um Differenzlohn.

Die Beklagte ist ein Automobilhersteller. Am Konzernsitz in A.-Stadt befindet sich neben der Technischen Entwicklung, dem Vertrieb und der Verwaltung ein großer Teil der Produktion. Auf dem Prüfgelände der B.-AG in C.-Stadt (im Folgenden: Prüfgelände) lässt die Beklagte Erprobungsfahrten mit eigenen Fahrzeugen von Testfahrern der Firma D.-GmbH (im Folgenden: E.) durchführen. Eigene Arbeitnehmer beschäftigt die Beklagte mit Testfahrten nur in A.-Stadt und F.-Stadt. Die Beklagte und die B.-AG gehören demselben Konzern an; die Beklagte ist berechtigt, das Prüfgelände kostenfrei zu nutzen. Auf ihm werden Fahrzeuge aller Marken des G.-Konzerns im Dauerfahrversuch getestet.

Der Kläger, der Ende 1999 einen Arbeitsvertrag mit der E. geschlossen hat, ist einer von mehreren Testfahrern, die auf der Grundlage eines von der Beklagten und der E. abgeschlossenen Rahmenvertrages auf dem Prüfgelände eingesetzt werden und dort Erprobungsfahrten durchführen. Er testet überwiegend für die Marke H.. Sogenannte Dauerläufe auf öffentlicher Straße machen einen zeitlichen Umfang von etwa 10 v.H. seiner Tätigkeit aus; sogenannte Pressefahrten, die es jetzt nicht mehr gibt, fanden bis zur Einreichung der Klage in einem Umfang von etwa 20 v.H. seiner Arbeitszeit statt. Alle Erprobungsfahrten erfolgen nach konzerneinheitlichen Vorgaben der Beklagten, die in mehreren Dokumenten niedergelegt und mit der E. vereinbart worden sind. Für die Erprobung der Fahrzeuge werden Einzelaufträge erteilt.

Der Rahmenvertrag, auf den im Übrigen verwiesen wird (Bl. 198 bis 206 d...

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