Entscheidungsstichwort (Thema)

Einsatz von Testfahrern aufgrund werkvertraglicher Rahmenvereinbarung. Unbegründeter Antrag auf Feststellung eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses bei unzureichenden Darlegungen zur verdeckten Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (amtlich)

Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AÜG liegt nicht vor, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die dem Auftraggeber zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte in dessen Bereich eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach seinen Weisungen (des Auftraggebers) und in dessen Interesse ausführen. Diesem Ergebnis entgegen steht nicht, dass sich die Aufgabe des Auftragnehmers bei Durchführung des Auftrags im Wesentlichen auf die Auswahl der Arbeitnehmer und ihre Einteilung in Schichten beschränkt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Auftragnehmer für die ordnungsgemäße Durchführung der Aufgabeninhalte noch verantwortlich bleibt, zur Gewährleistung verpflichtet ist und für die Umsetzung des Vertrages vor Ort Ansprechpartner bereitstellt.

 

Normenkette

AÜG § 1 Abs. 1-2, §§ 10, 9; BGB §§ 611, 631; AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 611 Abs. 1, § 631 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 19.03.2014; Aktenzeichen 7 Ca 163/13)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 19. März 2014 - 7 Ca 163/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung zustande gekommen ist, und daneben, soweit im Berufungsverfahren von Belang, um Auskunftsansprüche zur Höhe eines vergleichbaren Arbeitnehmers und um Differenzlohn.

Die Beklagte ist ein Automobilhersteller. Am Konzernsitz in A.-Stadt befindet sich neben der Technischen Entwicklung, dem Vertrieb und der Verwaltung ein großer Teil der Produktion. Auf dem Prüfgelände der B.-AG in C.-Stadt (im Folgenden: Prüfgelände) lässt die Beklagte Erprobungsfahrten mit eigenen Fahrzeugen von Testfahrern der Firma D.-GmbH (im Folgenden: E.) durchführen. Eigene Arbeitnehmer beschäftigt die Beklagte mit Testfahrten nur in A.-Stadt und F.-Stadt. Die Beklagte und die B.-AG gehören demselben Konzern an; die Beklagte ist berechtigt, das Prüfgelände kostenfrei zu nutzen. Auf ihm werden Fahrzeuge aller Marken des G.-Konzerns im Dauerfahrversuch getestet.

Der Kläger, der Ende 1999 einen Arbeitsvertrag mit der E. geschlossen hat, ist einer von mehreren Testfahrern, die auf der Grundlage eines von der Beklagten und der E. abgeschlossenen Rahmenvertrages auf dem Prüfgelände eingesetzt werden und dort Erprobungsfahrten durchführen. Er testet überwiegend für die Marke H.. Sogenannte Dauerläufe auf öffentlicher Straße machen einen zeitlichen Umfang von etwa 10 v.H. seiner Tätigkeit aus; sogenannte Pressefahrten, die es jetzt nicht mehr gibt, fanden bis zur Einreichung der Klage in einem Umfang von etwa 20 v.H. seiner Arbeitszeit statt. Alle Erprobungsfahrten erfolgen nach konzerneinheitlichen Vorgaben der Beklagten, die in mehreren Dokumenten niedergelegt und mit der E. vereinbart worden sind. Für die Erprobung der Fahrzeuge werden Einzelaufträge erteilt.

Der Rahmenvertrag, auf den im Übrigen verwiesen wird (Bl. 195 bis 203 d. A.), lautet auszugsweise (lexikalische und grammatikalische Fehler wie im Original):

"§ 2

Vertragsgegenstand

1. E. führt Dauerfahrversuch-, Test- und Erprobungsfahrten mit Fahrzeugen durch, die im Eigentum von H. stehen oder E. von H. zur Verfügung gestellt werden. Zu den von E. zu erbringenden Tätigkeiten gehören außerdem die Kontrolle, die Abarbeitung und die Meldung von Ereignissen im Rahmen der Dauerfahrversuche, insbesondere das Auslesen des Fehlerspeichers, sowie eine Fahrleistungs- und Verbrauchsmessung. Weiterhin stellt E. alle Betriebsdaten in das von H. zur Verfügung gestellte EDV-System ein und indiziert alle Mängel im entsprechenden EDV-System.

2. Die Verfahrensweise, die Durchführung und die Arten der Test- und Erprobungsfahrten ergeben sich aus den Lastenheften, welches als Anlagen 1 und 2 Bestandteile des Vertrages werden.

3. E. steht bei der Abarbeitung der Einzelaufträge dafür ein, dass die Leistungen fachmännisch, qualitativ einwandfrei und termingerecht entsprechend den technischen Vorschriften und Anforderungen von H. sowie den Prüf- und Benutzungsvorschriften des Prüfgeländes I-Stadt ausgeführt werden.

4. Die Organisation und Durchführung der Fahrten, die zeitliche Disposition für den Einsatz der Mitarbeiter (Fahrer und Lagerist) und deren Eignung stehen im ausschließlichen Verantwortungsbereich von E. und werden durch einen Schichtleiter von E. koordiniert.

5. Der Umfang, die Dauer und die Spezifikation der Test- und Erprobungsfahrten ergeben sich aus den Einzelaufträgen.

§ 3

Vertragsdurchführung

1. E. wird jeden Einzelauftrag in Abstimmung mit H. durchführen und H. laufend über die Durchführung informieren. Die Unterrichtung erfolgt schriftlich.

...

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