Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Anwendungsbereich der Pflegearbeitsbedingungsverordnung. Unwirksame arbeitsvertragliche Ausschlussfrist bei Erfassung des zwingend geregelten Mindestentgelts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Anwendungsbereich der PflegeArbbV handelt es sich bei dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht um einen solchen iSv § 2 Abs. 1 PflegeArbbV. Grundlage ist vielmehr § 3 EFZG, wobei das Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV als Geldfaktor bei der Berechnung der Höhe heranzuziehen ist.

2. Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst, ist wegen Verstoßes gegen § 4 PflegeArbbV, §§ 7, 9 AEntG insgesamt unwirksam. Sie kann nicht in einen unwirksamen Bereich betreffend Mindestentgelt und einen wirksamen Bereich für sonstige Ansprüche aufgeteilt werden. Jedenfalls verstößt sie als Allgemeine Geschäftsbedingung gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

 

Normenkette

AEntG §§ 7, 9; BGB §§ 134, § 305 ff.; EFZG § 3; PflegeArbbV §§ 2, 4; EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1; BGB §§ 133, 157, 305 Abs. 1 S. 1, § 307 Abs. 1 S. 2, § 611 Abs. 1; PflegeArbbV § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 12.09.2014; Aktenzeichen 3 Ca 253/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.08.2016; Aktenzeichen 5 AZR 703/15)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Braunschweig vom 12.09.2014 - 3 Ca 253/14 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Verpflichtung des Beklagten, an die Klägerin für den Zeitraum vom 19.11.2013 bis 15.12.2013 Entgeltfortzahlung in Höhe von 684,00 € brutto nebst Zinsen zu zahlen.

Die Klägerin war in der Zeit vom 15.07.2013 bis 15.12.2013 als Pflegehilfskraft in dem Betrieb des Beklagten auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 11.07.2013 tätig. Gemäß § 8 Abs. 2 dieses Arbeitsvertrages haben die Parteien eine Arbeitsvergütung in Höhe von 9,00 € brutto pro Zeitstunde vereinbart.

§ 22 des Arbeitsvertrages lautet wörtlich wie folgt:

Ausschlussfrist bei Geltendmachung von Ansprüchen

(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Dies gilt auch für Ansprüche, die während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entstehen.

(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 22 bis 30 der Akte verwiesen.

Vom 19.11.2013 bis 15.12.2013 erkrankte die Klägerin und legte dem Beklagten insoweit eine ärztlich ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Der Beklagte zahlte an die Klägerin für diesen Zeitraum keine Vergütung.

Mit Schreiben vom 20.01.2014 (Bl. 34 d. A.) wandte sich die Klägerin an den Beklagten mit dem Hinweis, dass sie den Lohn für Dezember 2013 (u. a. Krankheitstage) noch nicht erhalten habe und auf ihrem Lohnschein für November 2013 die Krankheitstage fehlen würden. Sie forderte den Beklagten auf, diese Angelegenheit bis zum 25.01.2014 zu beheben. Dem entsprach der Beklagte nicht.

Mit der am 02.06.2014 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen Klage hat die Klägerin - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - die Verurteilung des Beklagten zur Leistung von Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 19.11. bis 15.12.2013 in Höhe von 684,00 € brutto begehrt.

Sie hat in erster Instanz behauptet, in diesem Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein, und die Auffassung vertreten, die Ausschlussfrist in § 22 des vom Beklagten vorformulierten Vertrages sei unwirksam und könne schon im Hinblick auf § 4 PflegeArbbV den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht erfassen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 972,00 € brutto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2014 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den Zeitraum vom 19.11.2013 bis 15.12.2013 sei aufgrund der Ausschlussfrist nach § 22 des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien verfallen. Abgesehen davon bestreite der Beklagte, dass im Zeitraum vom 19.11.2013 bis 15.12.2013 bei der Klägerin tatsächlich die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit rechtfertigende gesundheitliche Symptome vorgelegen hätten. Am 19.11.2013, gerade dem Tag, an welchem die Klägerin plötzlich erkrankt sein wolle, habe die Pflegedienstleiterin des Beklagten, Frau A., in Anwesenheit der stellvertretenden Pflegedienstleiterin, Frau B., der Klägerin...

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