Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Vergütungspflicht in einem Heimarbeitsverhältnis. Voraussetzungen des Eingreifens von Entgeltsicherungsansprüchen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Entgeltsicherungsanspruch nach § 29 Abs. 8 HAG greift im ungekündigten Heimarbeitsverhältnis über die fiktive ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht wiederholt ein.

2. Die Entgeltsicherungsansprüche nach § 29 Abs. 7 und Abs. 8 HAG werden nicht kumulativ, sondern nur alternativ einmalig ausgelöst.

3. Im Heimarbeitsverhältnis schließen die Spezialvorschriften in § 29 Abs. 7 und 8 HAG in ihrem Anwendungsbereich die allgemeine Bestimmung in § 615 BGB unabhängig davon aus, ob das Heimarbeitsverhältnis werk- oder dienstvertraglich ausgestaltet ist.

4. Im Heimarbeitsverhältnis nicht genommener Urlaub verfällt weder mit Ablauf des Kalenderjahres noch mit dem Ende der Beschäftigung, sondern ist unabhängig von einem dahingehenden Verzug des Heimarbeitgebers gemäß § 12 BUrlG abzugelten.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 615; BUrlG § 12; HAG § 29 Abs. 7-8

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 16.11.2017; Aktenzeichen 2 Ca 355/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.08.2019; Aktenzeichen 9 AZR 41/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Hannover vom 16.11.2017 - 2 Ca 355/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger 10.521,06 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 5.766,78 € seit dem 08.11.2013 und weitere 4.754,28 € seit dem 13.12.2013 (rückständige Vergütung für Oktober und November 2013);

2. an den Kläger 41.510,00 € brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangene 3.637,43 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz auf 5.930,00 € seit dem 02.01.2014, weitere 5.930,00 € seit dem 03.02.2014, weitere 5.930,00 € seit dem 03.03.2014, weitere 5.930,00 € seit dem 01.04.2014, weitere 4.744,77 € seit dem 02.05.2014, weitere 4.703,90 € seit dem 02.06.2014 sowie weitere 4.703,90 € seit dem 01.07.2014 (Entgeltsicherung 01.12.2013 bis 30.06.2014);

3. an den Kläger 5.194,83 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.05.2016 (Urlaubsabgeltung 2013);

4. an den Kläger 1.103,12 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.05.2016 (Urlaubsabgeltung 2014);

5. an den Kläger 6.795,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 und

6. an die Bundesagentur für Arbeit/Agentur für Arbeit A.-Stadt 3.637,43 €

zu zahlen.

7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die weitergehende Anschlussberufung des Klägers wird, soweit sie sich auf die Urlaubsabgeltung für 2016 erstreckt, als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger zu 68 % und die Beklagte zu 32 % zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen im Hinblick auf die nicht zuerkannten Ansprüche auf Entgelt, Entgeltsicherung sowie an deren Stelle tretenden Schadensersatz für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 30.04.2016 einschließlich der teilweise nicht zuerkannten Urlaubsabgeltung für 2014 und der insgesamt nicht zuerkannten Urlaubsabgeltung für 2015. Für die Beklagte wird die Revision zugelassen, soweit sie zur Zahlung von Urlaubsabgeltung für 2014 verurteilt worden ist. Darüber hinaus wird die Revision weder für den Kläger noch für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem beendeten Heimarbeitsverhältnis, insbesondere wegen Nichtausgabe von Heimarbeit.

Der Kläger war ab Mai 1989 zunächst aufgrund des Arbeitsvertrages vom 29.05.1989 bei der Beklagten als Bauingenieur/Programmierer beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörte die Pflege und Weiterentwicklung der von der Beklagten vertriebenen Statik-Software. Mit Schreiben vom 04.05.1992 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 01.07.1992, weil er nach B.-Stadt bei C.-Stadt umgezogen war. Im Kündigungsschreiben bekundete er sein Interesse an einer weiteren Beschäftigung als freier Mitarbeiter. Die Parteien setzten daraufhin ihre Zusammenarbeit derart fort, dass der Kläger von zuhause aus gegen Stundenvergütung iHv. zuletzt 37,50 € für die Beklagte arbeitete. Die Beklagte wies ihm Projekte zu. Für die zur Erledigung dieser Projekte aufgewandten Stunden stellte der Kläger der Beklagten jeweils durchnummerierte monatliche Rechnungen. Diesen fügte er von der Beklagten vorgegebene Projektblätter und Stundenzettel bei. Die Beklagte zahlte regelmäßig den sich aus den Rechnungen des Klägers ergebenen Betrag.

Mit Schreiben vom 12.08.2013 teilte die Beklagte dem Kläger dann mit, die Gesellschafterversammlung habe beschlossen, das Unternehmen mit Ablauf des 31.12.2013 aufzulösen und zu liquidieren. Deshalb werde er künftig keine neuen Aufträge mehr erhalten.

Hiergegen erhob der Kläger K...

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