Entscheidungsstichwort (Thema)

Religionsgemeinschaftseinrichtungen und Vermutungswirkung des § 125 InsO. § 125 InsO in Einrichtungen der Religionsgemeinschaften gem. § 118 (2) BetrVG unanwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

§ 125 InsO ist wegen der ausdrücklichen Beschränkung der Norm auf Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG in Einrichtungen der Religionsgemeinschaften, die gem. § 118 (2) BetrVG dem BetrVG nicht unterliegen, unanwendbar. Schließt der Insolvenzverwalter mit der Mitarbeitervertretung (MAV) einer solchen Einrichtung einen Interessenausgleich mit Namensliste wird § 1 KSchG nicht dahingehend modifiziert, dass vermutet wird, die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

 

Normenkette

InsO § 125; BetrVG § 118 (2)

 

Verfahrensgang

ArbG Nienburg (Urteil vom 30.04.2009; Aktenzeichen 1 Ca 441/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 30.04.2009 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 22.09.2008 sozial ungerechtfertigt ist.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 2/3, die Klägerin zu 1/3 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

Die am 00.00.1953 geborene, geschiedene Klägerin, war seit dem 01.05.1975 als Leiterin der Hauswirtschaftsabteilung mit 20 Stunden wöchentlich gegen ein Bruttoentgelt von zuletzt 1.331,53 EUR bei dem Verein Evangelisches Altenheim-A-Stadt e. V., einer Einrichtung des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche, beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galten der Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1975 (Anlage zur Klageschrift Bl. 4 d. A.) bzw. der Arbeitsvertrag vom 30.01.1985, wegen dessen genauen Wortlauts auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 5 ff d. A.) Bezug genommen wird. In diesem Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien in § 2 die Inbezugnahme des Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.1961 in der jeweils geltenden Fassung und eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT. Der Verein beschäftigte ca. 65 Mitarbeiter. Mit Beschluss vom 31.03.2008 wurde über das Vermögen des Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte als Insolvenzverwalter bestellt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde zugleich die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Der Insolvenzschuldner hatte zuletzt seinen Betrieb in gemieteten Räumen am Standort St. ausgeübt. Mit Wirkung zum 01.07.2008 veräußerte der Beklagte die Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie den Grundbesitz des Schuldners in L. an die neugegründete D. GmbH (D 1), einer hundertprozentigen Tochter des Diakonische Heime in K. e. V. (D 2), der Mitglied des Diakonischen Werks der Ev.-luth. Landeskirche Hannover ist und die Arbeitsvertragsrichtlinien der Konföderation Ev. Kirchen in Niedersachsen (AVR-K) anwendet. Die D 1, die am 17.09.2008 beschloss, sich gem. § 1 Abs. 2 Arbeitsrechtsregelungsgesetz Diakonie (ARRGD) diesem Gesetz mit Wirkung zum 01.01.2009 anzuschließen (siehe das Schreiben vom 20.01.2009 an die Konföderation Ev. Kirchen in Niedersachsen, Anl. zum Schriftsatz des Beklagten vom 04.12.2009, Bl. 168 d. A.), sanierte das Gebäude am Standort L. und führt den Betrieb seit 01.01.2009 wieder am Standort L. fort, wobei wegen weiterer Umbaumaßnahmen dort zunächst nur 45 Pflegepersonen betreut werden. Der Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter und die Mitarbeitervertretung des Insolvenzschuldners vereinbarten gemeinsam mit dem Betriebsrat der Haus L. Service Wohnen GmbH, die zum gleichen Zeitpunkt insolvent wurde, am 19.09.2008 einen Interessenausgleich und Sozialplan, wegen dessen genauen Wortlauts auf die Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 15.10.2008 (Bl. 15 ff d. A.) verwiesen wird. In diesem Interessenausgleich sind neben neun Beendigungskündigungen Änderungskündigungen aller übrigen Mitarbeiter vorgesehen. Dazu ist unter Ziffer 7 d) geregelt:

„Im Übrigen werden die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum 31.12.2008 gekündigt mit der Maßgabe, dass ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen einer zwischen Betriebsrat/MAV und Diakonische Heime in K. e. V. am 19.07.2008 geschlossenen Vereinbarung zur Anpassung an die Arbeitsvertragsrichtlinien unterbreitet wird.”

Soweit in dem Interessenausgleich und Sozialplan unter Ziff. 7 d) auf eine am 19.07.2008 zwischen dem Betriebsrat/MAV und Diakonische Heime in K. e. V. geschlossene Vereinbarung zur Anpassung an die Arbeitsvertragsrichtlinien Bezug genommen wird, handelt es sich bei dem Datum 19.07.2008 um einen Zahlendreher. Tatsächlich datiert die Dienstvereinbarung vom 17.09.2008. In dieser Dienstvereinbarung, wegen deren genauen Wortlaut auf die Anl. B 4 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.12.2008 (Bl. 40 ff d. A.) Bezug genommen wird, heißt es – soweit hier von Interesse – in Ziff. 4) wörtlich:

„Die einzugliedernden Arbeitnehmer erhalten mit Wirkung zum 01.01.2009 Arbeitsverträge gem. AVR-K in der jewe...

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