Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss des Rechts auf Widerspruch gegen den Betriebsübergang durch ausdrückliche Verzichtserklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Im Fall eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der neue Inhaber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

2) Verzichtet der Arbeitnehmer auf sein Widerspruchsrecht oder stimmt dem Übergang des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich zu, ist ein (späterer) Widerspruch ausgeschlossen.

Allgemeine Einwände stehen dem Verzicht nicht entgegen. § 613 a Abs. 6 BGB ist dispositives Rechts. Vertragliche Abbedingungen sind damit grundsätzlich möglich.

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein mit "Einverständniserklärung" überschriebenes Schriftstück, in dem die Arbeitnehmerin erklärt: "Nachdem ich am 05.08.2015 über den Betriebsübergang unterrichtet wurde, erkläre ich hiermit mein Einverständnis für die Übertragung meines Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen ab dem 01.09.2015 an die Firma C. GmbH, Sch. Str., B..", ist als Verzicht auf das gesetzliche Widerspruchsrecht gemäß § 613a Abs. 6 BGB zu verstehen, wenn die Arbeitnehmerin zuvor schriftlich über das Widerspruchsrecht unterrichtet worden ist ("Ihnen steht es frei, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Bitte beachten Sie, dass der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Zugang dieser Unterrichtung schriftlich zu erfolgen hat. Der Widerspruch kann sowohl gegenüber uns oder dem Dienstleistungsunternehmen erklärt werden") und vor dem Hintergrund der im Unterrichtungsschreiben benannten Handlungsalternativen "Bitte um Unterzeichnung einer Einverständniserklärung" oder "einmonatiges Widerspruchsrecht" der Erklärungsgehalt der "Einverständniserklärung" unzweifelhaft bestimmt ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 6, §§ 242, 613a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 27.07.2017; Aktenzeichen 4 Ca 462/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.02.2019; Aktenzeichen 8 AZR 201/18)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 27. Juli 2017 - 4 Ca 462/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vor dem Hintergrund eines Betriebsübergangs darum, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin war bei der (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) seit dem 3. Januar 2005 als Schlachthilfe zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 1.800,00 Euro beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Vertrag vom 3. Januar 2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 4 - 7 d. A.). Zum 1. September 2015 ging der dortige Betriebsteil mit den Arbeiten des Bereichs "Stall bis Eingang Kühlhaus" auf die Firma C. GmbH (im Folgenden: C-GmbH) über. Zu diesem Zweck schlossen die Insolvenzschuldnerin und die C-GmbH einen Dienstleistungsvertrag. Die Klägerin gehörte dem Bereich "Stall bis Eingang Kühlhaus" an.

Über den bevorstehenden Betriebsübergang wurde sie mit Schreiben vom 5. August 2015, welches ihr zusammen mit einem Anschreiben bezüglich der Arbeitspapiere und des Arbeitsendes am 11. September 2015 zuging, unterrichtet. Das Unterrichtungsschreiben hat folgenden Wortlaut:

"... am 04.08.2015 um 17 Uhr fand eine Betriebsversammlung am im Aufenthaltsraum in S. statt. Hier wurden alle Fragen zu folgendem Thema besprochen:

Im Rahmen einer geplanten Umstrukturierung sollen die Arbeiten im Bereich "Stall bis Eingang Kühlhaus" an die Firma C. GmbH, Sch. Str., B. übertragen werden. Zu diesem Zweck wurde ein Dienstleistungsvertrag geschlossen.

Gem. § 613a Abs. 5 BGB informieren wird Sie hiermit über diesen Betriebsübergang. Der Betriebsübergang wird nach der jetzigen Planung zum 01.09.2015 erfolgen.

Die Übertragung der bisher in Eigenregie durchgeführten Arbeiten auf einen Dienstleister beruht auf einer unternehmerischen Entscheidung unserer Gesellschaft, um so auch in Zukunft eine Fortführung der Produktion gewährleisten zu können.

Betroffen von dem Betriebsübergang sind sämtliche Mitarbeiter des Betriebsteils Stall und Schlachtung. Die Beschäftigungsverhältnisse aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieses Betriebsteils gehen mit sämtlichen Rechten und Pflichten unter Anrechnung der vollen Betriebszugehörigkeit auf die erwerbende Gesellschaft über.

Wir haften neben dem Dienstleister für die Verpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis soweit sie vor dem Betriebsübergang entstanden sind und vor Ablauf von 1,5 Jahren nach diesem Zeitpunkt fällig werden als Gesamtschuldner.

Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch uns oder den Dienstleister wegen des Betriebsübergangs ist unwirksam. Dabei bleibt jedoch das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen unberührt. Die betrieblichen Strukturen und die betrieblichen Organisationen werden von dem Betriebsübergang nicht berührt. Es ist beabsichtigt das bestehende Geschäft weiterzuführen.

Folge des Betriebsüberganges für Sie ist damit der Wechsel des Arbeitgebers. An den Rechte...

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