Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsanspruch. Kündigungen im Tendenzbetrieb. Einstweilige Verfügung des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Auch in einem Tendenzbetrieb kann der Betriebsrat die Durchführung einer Betriebsänderung – hier: Ausspruch von Kündigungen – nicht durch Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zwecks Unterlassung der Maßnahme bis zur Ausschöpfung des Verhandlungsausspruchs nach §§ 111, 112 BetrVG verhindern.

 

Normenkette

BetrVG §§ 111, 113

 

Verfahrensgang

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Beschluss vom 26.11.2002; Aktenzeichen 3 BVGa 5/02)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 26.11.2002 – 3 BVGa 5/02 – abgeändert.

Der Antrag wird – soweit noch nicht geschehen – zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Beteiligte zu 2. gibt eine Tageszeitung heraus und beschäftigt etwa 417 Arbeitnehmer von denen mehr als 100 als Redakteure und Volontäre tätig sind. Die Beteiligte zu 3., welche 96 Mitarbeiter beschäftigt, erbringt in den Bereichen Personal, Gebäudemanagement und Post sowie Rechnungswesen und Buchhaltung Dienstleistungen für Kunden. Die Beteiligten zu 2. und 3. (Antragsgegnerinnen) führen einen gemeinsamen Betrieb. Antragsteller – Beteiligter zu 1. – ist der in diesem Betrieb gebildete Betriebsrat, welcher aus 11 Mitgliedern besteht.

Die Antragsgegnerinnen beabsichtigen insgesamt 97 Arbeitnehmern (66 der Bet. zu 2. und 31 der Bet. zu 3.) betriebsbedingt zu kündigen. Demgemäß haben sie am 19.11.2002 für die betroffenen Mitarbeiter das Anhörungsverfahren für eine ordentliche Kündigung gemäß § 102 BetrVG eingeleitet.

Die Beteiligten des vorliegenden Beschlussverfahrens streiten im Eilverfahren der einstweiligen Verfügung (§ 85 Abs. 2 ArbGG) über das Begehren des Antragstellers, den Antragsgegnerinnen zu untersagen, personelle Maßnahmen, seien es Kündigungen, Änderungskündigungen oder Versetzungen vorzunehmen, bis die Verhandlungen über einen Interessenausgleich entsprechend §§ 111, 112 BetrVG abgeschlossen oder gescheitert sind, hilfsweise die Untersagung personeller Maßnahmen, seien es Kündigungen, Änderungskündigungen oder Versetzungen, bis die Antragsgegnerinnen die geplanten Betriebsänderungen mit dem Antragsteller beraten und die Verhandlungen über einen Sozialplan entsprechend §§ 111, 112, 111 a BetrVG abgeschlossen oder gescheitert sind.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt ihrer vor dem Arbeitsgericht gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen, sowie die erstinstanzliche Sitzungsniederschrift vom 26.11.2002 (Bl. 67, 68 d. A.), verwiesen.

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat durch den am 26.11.2002 verkündeten, hiermit in Bezug genommenen Beschluss (Bl. 77 – 83 d. A.) unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge und Begrenzung der Verfügungsanordnung bis zum 26.01.2003 den Antragsgegnerinnen untersagt, im Rahmen der geplanten Betriebsänderung Kündigungen auszusprechen, bis die Antragsgegnerinnen die geplante Betriebsänderung mit dem Antragsteller beraten und die Verhandlungen über einen Sozialplan entsprechend §§ 118 Abs. 1, 111, 112, 112 a BetrVG abgeschlossen oder gescheitert sind.

Gegen den ihnen am 28.11.2002 zugestellten Beschluss haben die Antragsgegnerinnen bereits am 27.11.2002 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Sie sind der Auffassung, der begehrte Unterlassungsanspruch des Betriebsrats bestehe bereits aus Rechtsgründen nicht. Unabhängig davon sei auf jeden Fall in Tendenzunternehmen ein Unterlassungsanspruch zu verneinen, denn potentieller Inhalt eines Sozialplans sei die Milderung von Nachteilen und könne nicht das Nichtaussprechen von Kündigungen, d. h. die Verhinderung von Nachteilen sein. Im übrigen liege im Streitfall auch kein Verfügungsgrund vor.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beschwerdeführerinnen wird auf die Beschwerdeschrift vom 27.11.2002 (Bl. 85 – 100 d. A. nebst Anlagen Bl. 101 – 117 d. A.) sowie den Schriftsatz vom 28.11.2002 (Bl. 152 – 154 d. A. nebst Anlagen Bl. 155 – 186 d. A.) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

I. Die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 26.11.2002, Aktenzeichen: 3 BVGa 5/02 wird aufgehoben.

II. Die Anträge werden abgewiesen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 28.11.2002 (Bl. 130 – 138 d. A. nebst Anlagen Bl. 139, 140 d. A.). Er macht insbesondere geltend, auch in Kenntnis der Rechtsprechung der 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen, welche in ständiger Rechtsprechung einen allgemeinen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats für den Fall des unterbliebenen Interessenausgleichs verneine, begründeten die Besonderheiten des vorliegenden Falles einen Unterlassungsanspruch. Dies folge aus der besonderen Schutzbedürftigkeit des Betriebsrats in Tendenzbetrieben, in welchen ein Interessenausgleich nicht versucht werden müsse. Wenn der Betriebsrat in einem Tendenzunternehme...

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