rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösende Bedingung bei Einstellung eines „trockenen” Alkoholikers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bedingte Aufhebungsverträge sind zulässig, soweit nicht zwingende Bestimmungen des Kündigunsgrechts umgangen werden.

2. Die Vereinbarung mit einem alkoholgefährdeten Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis ende, wenn dieser Alkohol zu sich nimmt, ist ein unzulässiger Verzicht des Arbeitnehmers auf seinen künftigen Kündigungsschutz und daher nichtig.

3. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer aus sozialen Motiven und in seinem Interesse eingestellt wird und ohne die Vereinbarung der Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden wäre.

 

Normenkette

BGB §§ 620, 626; KSchG § 1; SchwbG § 15

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Urteil vom 27.05.1987; Aktenzeichen 5 Ca 2511/86)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 27.5.1987 – 5 Ca 2511/86 wird zurückgewiesen. Dabei wird das Urteil des Arbeitsgerichts wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 14.11.1986 hinaus zumindest bis zum 30.6.1987 bestanden hat.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis Mitte November 1986 dadurch sein Ende gefunden hat, daß die Klägerin am 4.11.1986 gegen ein Alkoholverbot verstoßen hat.

Die am 27.4.1940 geborene, verheiratete Klägerin trat im Januar 1962 als Arbeiterin in die Dienste der Beklagten. Die Klägerin ist Schwerbehinderte.

Nach zahlreichen erfolglosen Abmahnungen wegen Minder- und Fehlleistungen sowie wiederholten Alkoholgenusses der Klägerin während der Arbeitszeit schlossen die Parteien am 26.6.1984 einen Aufhebungsvertrag, in dem sie das Arbeitsverhältnis zum 30.6.1984 beendeten und die Klägerin eine Abfindung von 4.100,– DM erhielt.

Auf Veranlassung der Beklagten machte die Klägerin vom 5.12.1984 bis 2.4.1985 eine Alkoholentziehungskur. Danach erklärte sich die Beklagte auf Drängen des Betriebsrats bereit, die Klägerin wieder einzustellen.

Am 18.4.1985 schlossen die Parteien unter Beteiligung des Betriebsrats folgende:

„Vereinbarung

Frau P. wurde in Aussicht gestellt, daß sie nach erfolgreicher Alkoholentwöhnungskur im … Bauelementewerk der S. erneut beschäftigt wird. Da nach dem Entlassungsbericht vom 3. April 1985 Frau P. als ausgeheilt anzusehen ist und sie versichert, daß sie seit ihrer Entlassung absolut trocken ist, erfolgt die Wiedereinstellung am 22. April 1985 unter folgenden Voraussetzungen:

1) Frau P. erklärt, daß sie auch weiterhin das Alkoholverbot strikt einhalten wird. Bei Verstoß gegen dieses Verbot ist Frau P. nicht mehr interessiert, das Arbeitsverhältnis mit dem Bauelementewerk aufrechtzuerhalten. Frau P. ist damit einverstanden, daß in diesem Fall das Arbeitsverhältnis unverzüglich im gegenseitigen Einvernehmen gelöst wird.

2) Zur objektiven Feststellung, ob Frau P. das Alkoholverbot einhält, kann sie von ihrem Vorgesetzten jederzeit aufgefordert werden, sich in der betriebsärztlichen Dienststelle einem Alkoholtest zu unterziehen (Entlastungsbeweis).

3) Frau P. wird die Abfindung von 4.100,– DM, die ihr beim Ausscheiden aus dem Bauelementewerk Regensburg am 26. Juni 1984 gezahlt wurde, ab August 1985 in monatlichen Raten in Rohe von DM 100,– zurückzuerstatten. Die Ratenzahlung wird über die Lohnabrechnung einbehalten.

Die vorstehende Vereinbarung wurde Frau P. in Gegenwart eines Mitgliedes des Betriebsrats erläutert.”

Am 4.11.1986 wurde die Klägerin im betrunkenen Zustand zum Betriebsarzt gebracht, der feststellte, daß sie volltrunken und arbeitsunfähig war. Darauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 14.11.1986 mit, aufgrund des Vorfalls vom 4.11.1986 ende das Arbeitsverhältnis entsprechend der Vereinbarung vom 18.4.1985 mit sofortiger Wirkung.

Am 24.11.1986 wurde die Klägerin in das Bezirkskrankenhaus …, Fachklinik für … und …, eingewiesen und dort bis zum 30.12.1986 stationär behandelt. Nach dem Attest des Dr. med. W. vom 15.1.1987 litt die Klägerin an chronischem Alkoholismus und war eine sofortige Entwöhnungsbehandlung in einer Fachklinik angezeigt.

Nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle kündigte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30.4.1987 vorsorglich ordentlich zum 30.6.1987. Die dagegen von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht bis zur Entscheidung dieses Rechtsstreits ausgesetzt.

Die Klägerin macht geltend, Ziffer 1 der Vereinbarung vom 18.4.1985, wonach das Arbeitsverhältnis bei einem Verstoß gegen das Alkoholverbot gelöst wird, sei unwirksam. Sie hat beantragt festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis über den 14.11.1986 hinaus ungekündigt fortbesteht und durch die Kündigung der Beklagten vom 14.11.1986 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, mit dem erneuten Alkoholrückfall der Klägerin sei die auflösende Bedingung der Vereinbarung vom 18.4.1985 eingetreten. Daher sei das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen E...

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