Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung und Vergütung einer Fachärztin als Leiterin der Sozialmedizinischen Dienststelle in Pflegeteilzeit. Unbegründete Schadenersatzklage wegen verspäteter Zahlung von Annahmeverzugslohn nach arbeitsgerichtlicher Entscheidung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag der Arbeitgeberin

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 19 Abs. 1 TV-Ärzte erreichen die Ärztinnen und Ärzte die jeweils nächste Stufe (in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 20 Abs. 2 TV-Ärzte) nach den Zeiten einer Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit); innerhalb derselben Entgeltgruppe V kann demnach frühestens nach 12-jähriger fachärztlicher Tätigkeit in dieser Entgeltgruppe die Stufe 4 erreicht werden.

2. § 19 Abs. 2 TV-Ärzte beinhaltet keine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten, da in § 19 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 TV-Ärzte lediglich die Anrechnung von Vorbeschäftigungen in den Entgeltgruppen I und II geregelt ist; ansonsten sieht § 19 Abs. 2 Satz 4 lediglich eine fakultative Anrechnung von vorhergehenden beruflichen Tätigkeiten vor, wenn diese für die vorgesehene Tätigkeit förderlich sind.

3. Auch gemäß § 4 Abs. 1 TVÜ-Ärzte werden die Ärztinnen und Ärzte zunächst derjenigen Entgeltgruppe und Stufe zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte; gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Ärzte zählen für die Stufenfindung bei der Überleitung die bisher anerkannten Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber.

4. Das Gestaltungsrecht zur Inanspruchnahme der Pflegezeit wird auch bei Pflegeteilzeit bereits mit der Ankündigung der Pflegezeit in Anspruch genommen und verbraucht; im Hinblick auf die Verteilung der Arbeitszeit in der Pflegeteilzeit bedarf es keiner schriftlichen Vereinbarung.

5. Einen Steuerschaden der Arbeitnehmerin wegen verspäteter Zahlung von Annahmeverzugsvergütung hat die Arbeitgeberin nur dann gemäß §§ 286 Abs. 2, 287 BGB zu begleichen, wenn sie die verspätete Zahlung zu vertreten hat; gemäß § 286 Abs. 4 BGB kommt eine Schuldnerin nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den sie nicht zu vertreten hat.

6. Die Arbeitgeberin befindet sich in einem das Verschulden ausschließenden Rechtsirrtum, wenn sie Gehaltszahlungen nur deshalb einstellt, weil das Arbeitsgericht auf den Auflösungsantrag der Arbeitgeberin hin das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat und sie insoweit darauf vertrauen darf, dass eine Zahlung nicht mehr geschuldet ist; die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, Zweifel anzumelden, wenn die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht auf den ersten Blick hin unvertretbar ist.

 

Normenkette

TV-Ärzte § 16; PflegeZG § 3; BGB §§ 286-287; TV-Ärzte § 4 Abs. 1, 2 S. 1, § 19 Abs. 1, 2 Sätze 1-4, § 20 Abs. 2; BGB § 276 Abs. 1, § 286 Abs. 4; KSchG § 9 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 18.06.2015; Aktenzeichen 13 Ca 12509/12)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.04.2017; Aktenzeichen 6 AZR 367/16)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 13 Ca 12509/12) vom 18.06.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung betreffend Antrag 2. (Zahlung von € 8.149,60 brutto) zugelassen, im Übrigen nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von Vergütung und Ersatz eines Steuerschadens.

Die Klägerin wurde zum 01.09.2000 als ärztliche Mitarbeiterin bei der F., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, im Sozialmedizinischen Dienst (SMD) eingestellt. Vor ihrer Tätigkeit bei der Beklagten war die Klägerin 14 Monate beim Kreiskrankenhaus G. tätig. Die Eingruppierung der Klägerin dort erfolgte in eine Vergütungsgruppe, welche Tätigkeiten eines Facharztes voraussetzt.

Am 16.10.2002 erhielt die Klägerin ihre Anerkennung als Internistin und damit als Fachärztin.

Es existiert eine interne Verfügung der Beklagten vom 10.03.2004 (Bl. 195 d.), aus der hervorgeht, dass zugunsten der Klägerin ihre 14-monatige ärztliche Tätigkeit beim Kreiskrankenhaus G. hinsichtlich des 8-jährigen Bewährungsaufstiegs nach Vergütungsgruppe 1a KnAT anzurechnen ist.

Seit 01.07.2005 übte die Klägerin die Leitung des SMD aus.

Seit 01.01.2010 findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte in den Sozialmedizinischen Dienststellen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See vom 08.07.2010 (nachfolgend "TV-Ärzte") Anwendung.

Als ärztliche Leiterin eines SMD wurde die Klägerin nach Entgeltgruppe V des TV-Ärzte vergütet. Der TV-Ärzte enthält zur Eingruppierung und Entgeltzahlung in § 15 allgemeine Eingruppierungsregelungen:

"(1) Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. Die Ärztin / Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie / er eingruppiert ist.

(2) Die Ärztin / Der Arzt ist in d...

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