Entscheidungsstichwort (Thema)

Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gem. § 241 Abs. 2 in Zeiten der Corona-Pandemie. Schadensersatz nach Quarantäneanordnung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist der Geschäftsführer des Arbeitgebers trotz Erkältungssymptomen mit einem Arbeitnehmer zweimal längere Zeit zusammen in einem Auto gefahren, verstößt er gegen die SARS-CoV-2-Arbeitschutzregel Bayern i.d.F. vom 10.08.2020, nach deren Nr. 4.2.1. die Arbeitsumgebung so zu gestalten ist, dass Sicherheitsabstände von 1,5 m eingehalten werden können und jede Person mit Erkältungssymptomen zuhause bleiben soll. Darin liegt zugleich ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB.

2. Ist gegen den Arbeitnehmer, der Kontakt zu dem "Covid-19-verdächtigen" Geschäftsführer seines Arbeitgebers hatte, eine Quarantäneanordnung ergangen und muss er deshalb seine in diesem Zeitraum geplante Hochzeit absagen, hat er Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 249, 280 BGB.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 249, 254, 280 Abs. 1, § 282; SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel Nr. 4.2.1 Fassung: 2020-08-10

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Entscheidung vom 10.06.2021; Aktenzeichen 5 Ca 2534/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 10.06.2021, Az: 5 Ca 2534/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz (nur) noch um Schadensersatz.

Die Klägerin war vom 11.07.2011 bis 31.12.2020 bei der Beklagten als Immobilienwirtin beschäftigt.

Der Geschäftsführer der Beklagten, Herr Z, kam am 10.08.2020 aus seinem Urlaub in Italien mit Erkältungssymptomen zurück, deren Stärke zwischen den Parteien streitig ist. Am 18.08.2020 wie am 20.08.2020 fuhr er zusammen mit der Klägerin - beide ohne Mund-Nasen-Schutz - in einem Pkw zu Eigentümerversammlungen, wobei die Fahrten zweimal eine halbe bzw. zweimal mehr als eine Viertelstunde dauerten. Von einem Teilnehmer der ersten Eigentümerversammlung rückte er etwas ab und erklärte dazu, er habe aufgrund der Klimaanlage eine Erkältung und sich deswegen weiter weggesetzt.

Am 20.08.2020 wurde die Ehefrau des Geschäftsführers auf Corona getestet, nachdem bei ihr am selben Tag Grippesymptome aufgetreten waren, und am 23.08.2020 erhielt sie ein positives Ergebnis mitgeteilt. Der von ihrem Ehemann daraufhin am 24.08.2020 absolvierte Corona-Test war ebenfalls positiv.

Am 25.08.2020 ordnete das Gesundheitsamt gegenüber der Klägerin, die infolge der Fahrt vom 20.08.2020 als Kontaktperson 1 von Herrn Z eingestuft wurde, eine Quarantäne bis 03.09.2020 an. Infolgedessen konnte die für den 29.08.2020 geplante kirchliche Trauung mit anschließender Hochzeitsfeier der Klägerin, zu der 99 Gästen eingeladen worden waren, nicht stattfinden. Die Miete für den Raum der Feier wurde ebenso wie das Engagement einer Band und einer Sängerin, der Makeup-Termin sowie die Blumenbestellung storniert; eine anschließend geplante Reise konnte nicht am 03.09.2020, sondern erst am 04.09.2020 angetreten werden. Für die Stornierungen fielen folgende Kosten an:

Veranstaltungsort

€ 1.508,00

Caterer

€ 452,40

Band

€ 1.950,00

Sängerin

€ 330,00

Blumen

€ 210,00

Makeup

€ 100,00

1 Tag Hotel

€ 228,00

Die Einladungskarten für die Gäste hatten € 137,40 gekostet.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin - neben der Korrektur eines Zeugnisses - den Ersatz dieser Kosten sowie der für Hochzeitsaccessoires in Höhe von € 197,20 verlangt.

Sie hat dazu vorgetragen, Herr Z habe am 17.08.2020 mit Kopfschmerzen, starkem Husten, Heiserkeit und heftigem Schwitzen im Büro gearbeitet und trotz dieser weiter bestehenden Symptome die Fahrten mit der Klägerin unternommen. Dem Geschäftsführer sei es bei dem Termin am 18.08.2020 sicht- und hörbar nicht gut gegangen. Er habe ihr gegenüber erklärt, er habe am Vorabend angesichts furchtbarer Kopfschmerzen keine Protokolle schreiben können.

Dadurch sei die Absage der Hochzeitsfeier notwendig geworden und die Stornierungskosten entstanden. Der Anfang Juni 2020 noch offene Alternativtermin für April 2021 sei aufgrund der 6. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung, wonach die Veranstaltung draußen erlaubt worden sei, nicht mehr verfügbar gewesen. Die Stornierungskosten würden auf eine spätere Hochzeit nicht angerechnet.

Die Blumen für die Hochzeit seien bereits am 04.08.2020 bestellt und im Zeitpunkt der Stornierung am 26.08.2020 schon geliefert und daher zu zahlen gewesen.

Eine Reiserücktrittsversicherung hätte Stornokosten für eine Hotelbuchung nur erstattet, wenn die Klägerin aufgrund einer eigenen Erkrankung die Reise nicht hätte antreten können; Quarantäne sei dagegen kein versicherbarer Rücktrittsgrund.

Die Einladungskarten hätten aufgrund des Datums für eine spätere Hochzeitsfeier nicht verwendet werden können und seien bereits im August 2019 gedruckt und bezahlt gewesen.

Am 15.08.2020 habe die Klägerin den Probetermin für das Hochzeits-Make-up gehabt und sei entsprechend der Rechnung vom selben Tag bezahlt word...

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