Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohn. Lohnwucher. wucherähnliches Geschäft. Sittenwidrigkeit. übliche Vergütung. Tarifvertrag. Schätzung. Schätzabschlag. Schönheitssalon. Servicekraft. Sittenwidrig niedrige Vergütung. Anspruchsübergang auf das Jobcenter. Sittenwidrige Vergütung einer Servicekraft in Schönheitssalon. Zahlungsklage des kommunalen Jobcenters auf weitere Vergütung aus übergegangenem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung eines Monatseinkommens in Höhe von 100 Euro bei einer Arbeitspflicht von 14,9 Stunden in der Woche als Servicekraft in einem Schönheitssalon ist wegen Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Absatz 1 BGB ("wucherähnliches Geschäft") nichtig.

2. Wird die übliche Vergütung - wie vorliegend - nicht durch ein einschlägiges Tarifwerk abgebildet, muss das Gericht die übliche Vergütung unter Verwertung aller geeigneter Erkenntnisquellen abschätzen. Verbleibende Schätzunsicherheiten sind gegebenenfalls durch einen Schätzabschlag zu Gunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen (hier in Höhe von etwas unter 10 Prozent vorgenommen).

 

Normenkette

BGB §§ 138, 611-612; SGB X § 115; BGB § 138 Abs. 1, § 611 Abs. 1; SGB X § 115 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 17.05.2011; Aktenzeichen 1 Ca 316/11)

 

Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Das klagende Jobcenter A-Stadt verlangt von der beklagten Arbeitgeberin die Zahlung weiterer Vergütung aus übergegangenem Recht. Die Nachforderung der Vergütung begründet das Jobcenter mit der sittenwidrig niedrigen Vergütung, die die Beklagte an ihre Arbeitnehmerin, die gleichzeitig Leistungen vom Jobcenter erhalten hat, gezahlt hat.

Die Beklagte betreibt einen Schönheitssalon mit kosmetischen und fußpflegerischen Dienstleistungen, in dem sie zehn Arbeitnehmerinnen - überwiegend geringfügig - beschäftigt.

Zum 3. November 2003 hat die Beklagte die 1952 geborene Frau S. eingestellt. Dieses Arbeitsverhältnis endete zunächst zum Jahresende 2004, wurde von den Arbeitsvertragsparteien jedoch im Mai 2005 wieder aufgegriffen und fortgesetzt. In dem bis zum Schluss der Zusammenarbeit maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 1. Dezember 2005 (Anlage K 1 zur Klageschrift, hier Blatt 11) vereinbarten die Arbeitsvertragsparteien einen Monatslohn in Höhe von 100,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14,9 Stunden für eine Beschäftigung als Servicekraft. Zudem hat die Beklagte monatlich einen Arbeitgebersozialversicherungsanteil von 28,00 Euro abgeführt. Frau S. war im Wesentlichen mit dem Telefondienst, der Terminvergabe, dem Abkassieren von Kunden, dem Kaffeekochen und mit Reinigungsarbeiten betraut.

In den von der Klägerin vorgegebenen Nebenverdienstbescheinigungen hat die Beklagte für den Streitzeitraum (Juni 2009 bis Juni 2010) monatlich durch ihre Unterschrift die Arbeitszeiten der Frau S. und deren Einkommen bestätigt.

Danach hat Frau S. im Juni 2009 tatsächlich 64,5 Stunden gearbeitet; Montag, der 1. Juni 2009 war ein Feiertag (Pfingstmontag) und an vier weiteren Arbeitstagen hat die Klägerin wegen Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet. Im Juli 2009 hat Frau S. 90 Stunden gearbeitet, im August waren es 68 Stunden. Im September 2009 hat sie 15 Tage Urlaub erhalten und deshalb nur 28 Stunden gearbeitet. Im Oktober 2009 hat sie 68 Stunden gearbeitet, im November dann 64 Stunden und im Dezember 2009 wieder 68 Stunden.

Im Jahre 2010 hat Frau S. im Januar 60 Stunden gearbeitet, im Februar 61,5 Stunden, im März 54,5 Stunden und im April 2010 bei zwei Feiertagen 46 Stunden. Im Mai 2010 (mit einem Feiertag) hat sie noch 47,5 Stunden gearbeitet und im Juni 2010 hat sie zehn Tage Urlaub gehabt und zusätzlich noch 27 Stunden gearbeitet. Gezahlt wurde die Vergütung jeweils nachschüssig zu Beginn des Folgemonats.

Die Klägerin gewährte Frau S. in diesem Zeitraum durchgängig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Frau S. selbst und für die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft:

Monat

Betrag in Euro

06/09

874,00

07/09

1.080,18

08/09

1.080,18

09/09

1.059,56

10/09

1.080,18

11/09

1.064,28

12/09

1.079,36

01/10

1.079,36

02/10

1.079,36

03/10

1.079,36

04/10

1.079,36

05/10

1.063,28

06/10

1.099,46

Mit den Schreiben vom 9. September 2010 und vom 3. November 2010 machte die Klägerin aus übergegangenem Recht weitere Lohnansprüche gegenüber der Beklagten geltend und forderte sie erfolglos zur Zahlung bis spätestens 31. Dezember 2010 auf. Außergerichtlich hatte die Klägerin ursprünglich die Zahlung von etwas über 4.800,00 Euro verlangt.

Mit der Klage, die beim Arbeitsgericht im Februar 2011 eingegangen ist, hat die Klägerin noch die Zahlung von 2.837,33 Euro aus übergegangenem Recht im Streitzeitraum wegen der Beschäftigung von Frau S. bei sittenwidrig niedriger Vergütung begehrt.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit dem Urteil vom 17. Mai 2011 in der Hauptsache zur Zahlung von 2.143,98 Euro brutto verurteilt und im Übrigen die Klage in der Hauptsache abgewiesen. ...

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