Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsbetrieb. Wartezeit. Parteibezeichnung. Klage gegen eine Gesellschafterin einer GbR statt gegen die GbR. Berechnung der Wartezeit nach § 1 Absatz 1 KSchG. Geeignete Indizien für den gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmer. Unwirksame Kündigung einer Krankenpflegerin bei unsubstantiierten Darlegungen der Arbeitgeberin zur Nichterfüllung der kündigungsschutzrechtlichen Wartezeit sowie zur Führung von Einzelbetrieben mit geringer Beschäftigtenzahl. wirksamer Klageantrag bei unrichtiger aber nachvollziehbarer Parteibezeichnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Wartezeit aus § 1 Absatz 1 KSchG beginnt mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Hierfür ist entscheidend, ab wann der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag zur Verfügung stehen sollte. Der Beginn des Arbeitsverhältnisses fällt mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages zusammen, wenn der Arbeitsantritt sich unmittelbar anschließen soll. Bei einer späteren Aufnahme der Tätigkeit ist der vertraglich vorgesehene Tag der Arbeitsaufnahme maßgebend (Oetker in: ErfK § 1 KSchG RNr. 35; Dörner in: APS § 1 KSchG RNr. 30).

2. Betreibt ein Unternehmer in einem Betrieb zwei unterschiedliche Geschäfte (Einrichtung der Tagespflege einerseits und ambulanter Pflegedienst andererseits) und gründet er ein weiteres Unternehmen mit dem Ziel, zukünftig die Einrichtung der Tagespflege selbständig zu führen, spricht im Sinne von § 1 Absatz 2 Nr. 2 BetrVG eine Vermutung dafür, dass beide Unternehmen den bisherigen Betrieb zunächst gemeinsam führen. Die Vermutung kann durch die Darlegung der einzelnen Schritte der organisatorischen Verselbständigung des dem neuen Unternehmen zugeordneten Geschäftsbetriebes widerlegt werden.

3. Nach § 253 Absatz 2 Nr. 1 ZPO muss die Klageschrift die Bezeichnung der Parteien enthalten. Ist die Bezeichnung nicht eindeutig, ist die Partei durch Auslegung zu ermitteln. Auch bei äußerlich eindeutiger, aber offenkundig unrichtiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar mit der Parteibezeichnung gemeint ist (BAG 20. Januar 2010 - 7 AZR 753/08 - BAGE 133, 105 = NJW 2010, 1622 = AP Nr. 34 zu § 57b HRG; BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - AP KSchG 1969 § 4 Nr. 60 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 76; ebenso schon früher BGH 24. Januar 1952 - III ZR 196/50 - BGHZ 4, 328). Dafür ist entscheidend, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat. Hierbei ist allein das tatsächliche Vorbringen der Klagepartei zugrunde zu legen. Auf deren Rechtsauffassung kommt es nicht an. Maßgeblich für die Beurteilung sind die gesamten erkennbaren Umstände, insbesondere auch die der Klageschrift beigefügten Unterlagen.

 

Normenkette

ZPO §§ 50, 253; KSchG §§ 1, 23; BetrVG § 1 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 1, § 4 S. 1, §§ 7, 23 Abs. 1; BetrVG § 1 Abs. 2 Nr. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neubrandenburg (Entscheidung vom 17.05.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1199/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.10.2013; Aktenzeichen 2 AZR 1057/12)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 17. Mai 2011 - 1 Ca 1199/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der arbeitgeberseitigen Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Die Klägerin, eine examinierte Kinderkrankenschwester, war ursprünglich bei der BLW Seniorenzentrum Verwaltungsgesellschaft mbH (hier mit BLW bezeichnet, erstinstanzlich zeitweilig Beklagte zu 1) mit Verwaltungssitz in der B.straße in A-Stadt als Krankenpflegerin beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag ist die Ableistung von 1.764 Stunden im Jahr gefordert bei einem Stundenlohn von 9,52 Euro brutto. Das tatsächliche Monatseinkommen der Klägerin hat im Durchschnitt rund 1.400 Euro brutto monatlich betragen. Außerdem war eine 6monatige Probezeit vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag vom 15. Mai 2010 (Anlage 1, hier Blatt 6 ff) verwiesen.

Nach dem Arbeitsvertrag wird die Klägerin "ab dem 15.05.2010" eingestellt. Der erste Arbeitstag der Klägerin war aber erst der 26. Mai 2010. Zu diesem Tag erfolgte auch erst die sozialversicherungsrechtliche Anmeldung der Klägerin, in der Anmeldung wird als Beginn des Arbeitsverhältnisses allerdings der 15. Mai 2010 angegeben (Kopie Blatt 46). Zur Vergütung der Klägerin im Mai 2010 konnten keine Feststellungen getroffen werden. Der spätere Beginn der Beschäftigung geht auf einen Wunsch der Klägerin zurück.

Die BLW ist im Handelsregister des Amtsgerichts A-Stadt unter der Nummer 4284 und mit dem Namen "BLW Betreutes Leben und Wohnen Seniorenzentrum Verwaltungsgesellschaft mbH" eingetragen. Zu Geschäftsführerinnen bestellt sind Frau P. S. und ihre Tochter K. S., die heute Frau Dr. B. heißt. Den Handelsregisterauszug hat das Berufungsgericht am 13. Februar 2012 abgerufen (Blatt 161 f) und ihn zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 14. Februar ...

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