Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung vorzunehmende Sozialauswahl bezieht sich auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebes. An der „Vergleichbarkeit” fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig im Rahmen seines Direktionsrechts auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (wie BAG, Urteil vom 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, NZA 2007, 798, 800; LAG Köln, Urteil vom 20.04.2007 – 12 Sa 1184/06).

2. Der Einbeziehung von Mitarbeitern in die Sozialauswahl steht nicht entgegen, dass diese die Tätigkeiten des wegen Wegfalls seines Arbeitsplatzes bedrohten Arbeitnehmers nicht verrichten können. Vielmehr kommt es umgekehrt darauf an, ob der kündigungsbedrohte Arbeitnehmer in der Lage ist, die Tätigkeiten eines anderen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz nicht wegfällt, ordnungsgemäß zu verrichten.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 10.01.2007; Aktenzeichen 4 Ca 2643/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 10.01.2007 – 4 Ca 2643/06 – wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass es sich bei dem in Nr. 2 des Tenors genannten Datum nicht um den 01.01.06, sondern um den 01.09.2005 handelt.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung und das Bestehen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs.

Die Beklagte ist ein Forschungsinstitut, das Medienanalysen durchführt. Sie befasst sich zu 70 % mit Grundlagenforschung und zu 30 % mit der Erbringung von Dienstleistungen u.a. für Regierungen, Universitäten und Wirtschaftsunternehmen.

Der am 25.10.1978 geborene Kläger war seit dem 24.08.2004 bei der Beklagten als Codierer beschäftigt. Seine Tätigkeiten bestanden in der Analyse von arabischen Tageszeitungen und Fernsehnachrichten. Seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrug 16 Stunden. Monatlich erzielte er einen Verdienst in Höhe von ca. 800,00 EUR brutto.

Zu Beginn des Jahres 2005 baute die Beklagte die Abteilung für arabische Medienanalysen aus. Dort setzte sie neben dem Kläger elf weitere Codierer mit wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen 16 und 32 Stunden ein, deren Muttersprache jeweils arabisch war.

Im Mai 2006 kündigten zwei der Codierer ihre Arbeitsverhältnisse.

Mit Schreiben vom 29.08.2006, dem Kläger übergeben am 30.08.2006, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2006.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 06.09.2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Kündigungsschutzklage vom 05.09.2006 gewandt, die er mit am 22.12.2006 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 21.12.2006 um seine Weiterbeschäftigung als Codierer auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 01.01.2006 erweitert hat.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Dringende betriebliche Erfordernisse, die seiner Weiterbeschäftigung entgegenstünden, seien nicht gegeben. Die Sozialauswahl sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Insbesondere habe die Beklagte die Sozialauswahl zu Unrecht auf die Mitarbeiter beschränkt, die arabisch sprächen, obwohl es, so hat der Kläger behauptet, eine solche Beschränkung der Codierer auf ihren jeweiligen Muttersprachbereich nicht gegeben habe. Im Übrigen, so ist der Kläger der Ansicht gewesen, habe die Kündigung gegen das Ultima-Ratio-Prinzip unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der Änderungskündigung verstoßen, da die Beklagte im Internet eine Stellenausschreibung für einen Codierer und eine Stelle für einen Junior Sales Manager veröffentlicht habe und Bewerbungsschluss der 30.09.2006 gewesen sei. Schließlich sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2006 nicht aufgelöst worden ist;
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Codierer auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 01.01.2006 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Sie hat behauptet, die Analyse der arabischen Fernsehnachrichten sei nach einer Vorlaufzeit von drei Jahren wirtschaftlich nicht mehr vertretbar gewesen. Im März 2006 sei ein feindlicher Übernahmeversuch erfolgt. Um das Unternehmen und die Arbeitsplätze jedenfalls der meisten Mitarbeiter zu erhalten, habe ihre Geschäftsleitung in erheblichem Umfang Darlehen aufnehmen müssen. Im weiteren Verlauf des Jahres 2006 sei daher eine Subventionierung der arabischen Fernsehcodierung im bisherigen Umfang unternehmerisch nicht mehr vertretbar gewesen. Hinsichtlich der betroffenen Arbeitnehmer sei, so ist die Beklagte der Ansicht gewesen, eine ordnungsgemäße Sozialauswahl erfolgt und eine Definition der Leistungsträger i.S. von ...

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