Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug. böswilliges Unterlassen einer zumutbaren Arbeit. Arbeitsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Arbeitnehmer steht trotz unwirksamer Änderungskündigung des Arbeitgebers keine Annahmeverzugsanspruch zu, wenn er es böswillig unterlässt, eine zumutbare Arbeit anzunehmen (§ 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG).

2. Die Zumutbarkeit der Arbeit erfordert eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Arbeitsangebots des Arbeitgebers und der Ablehnung des Arbeitnehmers (im Anschluss an BAG 16.6.2004 – 5 AZR 508/03 –)

3. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, dass der Arbeitsplatz weggefallen ist (hier wegen einer Betriebs (teil-)schließung) und eine andere Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers im Unternehmen des Arbeitgebers nicht besteht.

4. In diesem Fall ist dem Arbeitnehmer eine längere Fahrzeit von ca. 2 Stunden je Hin- und Rückfahrt – bei ansonsten unveränderten Arbeitsbedingungen – noch zuzumuten.

 

Normenkette

BGB § 615 S. 2; KSchG § 11 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 17 Ca 4402/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.11.2004 – 17 Ca 4402/04 – abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Annahmeverzugansprüche nach rechtskräftig festgestellter unwirksamer Änderungskündigung.

Der 52 – jährige Kläger war seit dem 01.09.1979 bei der Beklagten zu einem monatlichen Bruttolohn von 2.760,98 EUR zuzüglich eines 13. Monatsgehalts in K beschäftigt. Der Kläger war zunächst als Lagerarbeiter, in der Folgezeit in wechselnden Positionen, darunter auch als Sachbearbeiter von Großkunden im kaufmännischen Bereich eingesetzt. Seit 1999 wurde ihm die Position eines Lagerleiters (Leitung Warehousing-Physical (WP)) übertragen. Nach der von den Parteien unterzeichneten Stellenbeschreibung vom 10./17.03.1999 gehörte zu seinen Aufgaben die Leitung und Steuerung von Arbeitsprozessen im Bereich Hallenumschlag mit der wesentlichen Zielsetzung der optimalen Gestaltung der Lagertätigkeiten und des optimalen Einsatzes aller Mitarbeiter in diesem Bereich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren 12 Sa 951/03 vorgelegte Stellenbeschreibung (Bl. 53/54 der beigezogenen Akte) verwiesen.

Aufgrund eines Beschlusses der Geschäftsleitung vom Herbst 2001 wurde Ende März 2002 die Niederlassung in K geschlossen. Mit Schreiben vom 13.02.2002 bot die Beklagte dem Kläger eine Tätigkeit „zu unveränderten Vertragsbedingungen” in D an. Der Kläger lehnte dies wegen unzumutbar langer Fahrtzeiten ab.

Mit Schreiben vom 03.04.2002 sprach die Beklagte dem Kläger gegenüber eine außerordentliche Änderungskündigung zum 30.04.2002 und hilfsweise eine fristgerechte zum 20.11.2002 aus, mit dem Angebot dass der Kläger ab 01.05.2002 „zu ansonsten unveränderten Bedingungen” in der Niederlassung W arbeiten sollte. Für die Fahrten von seinem Wohnort zur neuen Arbeitsstätte stellte die Beklagte dem Kläger ein Firmenfahrzeug zur Verfügung und sagte zu, dessen Betrieb und die Versteuerung des geldwerten Vorteils zu übernehmen.

Der Kläger nahm die Änderungskündigung nicht unter Vorbehalt an.

Die Beklagte versetzte im Zusammenhang mit der Schließung der Niederlassung K drei Mitarbeiter, die als kaufmännische Sachbearbeiter tätig waren und sind, in die Niederlassung T.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 16.01.2004 – 12 Sa 951/03 – rechtskräftig festgestellt, dass die Änderungskündigung wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrates unwirksam ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 233 – 238 der beigezogenen Akte – 12 Sa 951/03 –) Bezug genommen.

Mit Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 16 Ca 7901/03 – vom 28.10.2003 wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger Annahmeverzugslohn für die Zeit vom 01.07.2002 bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.11.2002 zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidung (Bl. 53 – 58 d. A.) verwiesen.

Vorliegend macht der Kläger Annahmeverzugslohn in Höhe von 35.892,24 EUR brutto abzüglich geleisteten Arbeitslosengeldes in Höhe von 6.889,26 EUR für den Zeitraum 01.12.2002 bis 30.11.2003 geltend.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 16.11.2004 die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Annahmeverzug verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte wegen der rechtswidrigen Kündigung dem Kläger Annahmeverzugslohn schuldet. Der Kläger habe anderweitigen Erwerb nicht böswillig unterlassen, indem er die in W angebotene Tätigkeit nicht angenommen habe, da ihm diese nicht zumutbar gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsgründe wird auf Blatt 71 ff. d. A. Bezug genommen.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln hat die Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Sie rügt, dass das Arbeitsgericht zu Unrecht die Unzumutbarkeit der Tätigkeit des Klägers...

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