Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 01.12.1999; Aktenzeichen 3 Ca 5741/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 01.12.1999 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 3 Ca 5741/99 – aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – zunächst über den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung – insgesamt an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Der am 19.07.1951 geborene Kläger war seit dem 16.08.1978 bei der Beklagten als Sachbearbeiter in der Betriebsabteilung beschäftigt. Mit Schreiben vom 30.09.1998 kündigte die Beklagte dem Kläger aus krankheitsbedingten Gründen ordentlich zum 30.06.1999. Der zuvor unter dem 17.09.1998 angehörte Betriebsrat widersprach der Kündigungsabsicht mit Schreiben vom 24.09.1999. Das Widerspruchsschreiben hat folgenden Wortlaut:

„Der Betriebsrat hat in seiner außerordentlichen Betriebsratssitzung vom 24.9.1998 durch Beschluß der beabsichtigten Kündigung gem. § 102 Ziffer 3 Abs. 1 BetrVG widersprochen.

Die sozialen Verhältnisse von Herrn S. lassen eine Kündigung nicht zu. Herr S. hat 4 Kinder zu versorgen.

Bei einer Kündigung wird sich die Situation drastisch verschärfen.

Ganz abgesehen von seiner gesundheitlichen (Depressionen) Situation.

Herr S. hat glaubhaft versichert, daß er seinen Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden hat. Diese Entbindung erfolgte schriftlich. Ob und inwieweit mittlerweile ein Gespräch zwischen seinem Arzt und Frau Dr. B. stattgefunden hat, ist ihm nicht bekannt. Er wird diesbezüglich seinen Arzt ansprechen.

Außerdem teilte Herr S. mit, daß in absehbarer Zeit eine stationäre Therapie ansteht mit dem Ziel, seine Arbeitskraft wieder herzustellen.

Dem Betriebsrat sind die Abteilungsprobleme bekannt. Wir appellieren jedoch an die Fürsorgepflicht für den langjährigen Mitarbeiter (20 Jahre Betriebszugehörigkeit) und an die moralischen Aspekte (Krankheit, 4 Kinder, verschuldet, etc.).”

Im Kündigungsschreiben hat die Beklagte dem Kläger zwar mitgeteilt, dass der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG angehört worden sei. Das Widerspruchsschreiben des Betriebsrats hatte sie dem Kündigungsschreiben aber nicht beigefügt. Mit Klageschrift vom 13.07.1999 begehrt der Kläger Kündigungsschutz. Er hat vorgetragen: Auf Grund des Umstandes, dass die Beklagte das Widerspruchsschreiben des Betriebsrats nicht beigefügt habe, sei er davon ausgegangen, dass er mit einer eventuellen Kündigungsschutzklage keinen Erfolg haben werde. Wäre ihm der Widerspruch zugeleitet worden, hätte er die Stellungnahme des Betriebsrats in seine Überlegungen stärker mit einbeziehen können und sich gegen die Kündigung verteidigt. Der Verstoß gegen § 102 Abs. 4 BetrVG habe die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.09.1998 zum 30.06.1999 aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht,

    hilfsweise, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen,

  2. wiederum hilfsweise festzustellen, dass dem Kläger durch die unterlassene Übermittlung des Widerspruchs des Betriebsrats gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten ein Schaden entstanden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Nichtbeifügung des Widerspruchsschreibens des Betriebsrats die Wirksamkeit der Kündigung nicht beeinträchtige. Der Kläger sei dadurch auch nicht gehindert gewesen, Kündigungsschutzklage zu erheben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 30.09.1998 aufgelöst worden ist, sondern über den 30.06.1999 hinaus fortbesteht. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf das angefochtene Urteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist nach dem Beschwerdewert statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig begründet worden.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – zunächst über den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage – zurückzuverweisen ist.

Über den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung ist vorab zu entscheiden, weil es entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts auf diesen ankommt. Die Kündigung ist nicht aus formellen Gründen – Nichtbeifügung des Widerspruchsschreibens des Betriebsrats – unwirksam. Unwirksamkeitsgründe im Sinne des § 13 Abs. 3 KSchG sind nicht ersichtlich. Die am 13. Juli 1999 gegen die Kündigung vom 30.09.1998 eingereichte Kündigungsschutzklage ist verspätet (§ 4 KSchG). Für diesen Fall hat der Kläger vorsorglich beantragt, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Auf die vom Kläger vertretene Auffas...

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