Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsanfechtung. unverzüglich. Täuschung. Dritter. Prozessbevollmächtigter. Hinterbliebenenversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anfechtung eines Prozessvergleichs hat gegenüber dem Vertragspartner, also der gegnerischen Partei, zu erfolgen. Eine Anfechtungserklärung, die an das Gericht gerichtet ist und erst durch dieses an den Prozessgegner weitergeleitet wird, ist nicht unverzüglich, da der Anfechtende durch unmittelbare Zustellung einen schnelleren Zugangsweg hätte wählen können. Für das Vorliegen eines Irrtums oder einer Täuschung kommt es im Anwaltsprozess auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale beim Prozessbevollmächtigten an. Das Äußern einer Rechtsmeinung durch das Gericht, insbesondere der Hinweis auf das voraussichtliche Prozessergebnis, erfüllt den Tatbestand des § 123 BGB nicht, da das Gericht immer Dritter ist.

 

Normenkette

BGB §§ 123, 119, 121; BetrAVG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 10.09.2002; Aktenzeichen 5 Ca 11/02)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 14.04.2003 erledigt ist.

Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Bestandskraft eines zur Beilegung eines Zahlungsrechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Prozessvergleichs.

Die Klägerin machte als Witwe ihres im Jahr 1985 während der Arbeit verstorbenen Ehemannes die Zahlung von Hinterbliebenenversorgung aus einer Versorgungszusage geltend. Hierbei hatte sie sowohl die Arbeitgeberin ihres verstorbenen Mannes (Beklagte zu 1) als auch die Konzernmuttergesellschaft (Beklagte zu 2), deren 100-prozentige Tochter die Beklagte zu 1) ist, auf Zahlung in Anspruch genommen. Sie legte hierbei neben Versorgungsurkunden der Beklagten zu 1) eine Ordnung der betrieblichen Grundrente der Beklagten zu 2) vom 05.12.1983, eine Gesamtbetriebsvereinbarung der Beklagten zu 2) über die Grundsätze der neuen Versorgungsordnung vom 06.12.1983, die Satzung der Pensionskasse der Mitarbeiter der Beklagten zu 2) VVAG Stand 05.10.1984 und eine Betriebsvereinbarung der Beklagten zu 1) vom 19.12.1983 sowie weitere Urkunden und vorgerichtlichen Schriftverkehr vor.

Die Klägerin erhielt zunächst mit Wirkung ab 01.07.1985 eine Witwenrente, die sich aus einer Firmengrundrente in Höhe von 253,70 DM und einem Besitzstand gemäß Versorgungsordnung in Höhe von 56,25 DM zusammensetzte. Daneben erhielt die Tochter der Klägerin Waisenrente. In diesem Bescheid, den die Beklagte zu 2) im Auftrag der Beklagten zu 2) erstellt hatte, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Witwenrente sich aus einer Zurechnungszeit bis zum 55. Lebensjahr des Verstorbenen errechnet und dass eine Neuberechnung der Hinterbliebenenbezüge ab 01.10.1993, dem Datum der Volljährigkeit der Tochter erfolgt.

Tatsächlich kürzte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 06.10.1993 die Witwenrente der Klägerin auf eine Firmengrundrente von 4,90 DM. Daneben zahlte sie weiterhin die Firmenrente als Besitzstand in Höhe von 56,25 DM sowie eine Zulage von 6,40 DM. Ab der Vollendung des 45. Lebensjahres der Klägerin am 31.10.1999 erhöhte die Beklagte die Witwenrente wieder. Mit Schreiben vom 16.10.1993 machte die Klägerin geltend, dass die Kürzung der Witwenrente unzulässig sei, da sie, was unstreitig ist, in häuslicher Gemeinschaft mit einem Kind lebt, welches zu 100 % schwerbehindert ist und auf Grund körperlicher Gebrechen außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. In der Sozialversicherung wurde der Klägerin deshalb eine höhere Witwenrente trotz der Volljährigkeit der Tochter fortgezahlt. Die Beklagte zu 1) gab die Beantwortung des Schriftverkehrs an die Abteilung Altersversorgung der Beklagten zu 2) ab, da diese die verwaltungsmäßige Bearbeitung der Betriebsrentner auch der Beklagten zu 1) als Dienstleistung erbringt.

Mit Schreiben vom 21.11.1997 erläuterte die Beklagte zu 1) noch einmal gegenüber der Klägerin die Ablehnung der Fortzahlung der erhöhten Witwenrente. Sie begründet dies damit, dass die Versorgungsordnung der Beklagten zu 1) eine sog. Große Witwenrente nur bei Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes vorsehe. Der Tatbestand der Erziehung ende mit der Volljährigkeit des Kindes. In der gesetzlichen Rentenversicherung werde die Sorge für ein volljähriges behindertes Kind einer Erziehung nur gleichgestellt. Dies belege, dass Erziehung eines nicht volljährigen Kindes und Sorge für ein volljähriges behindertes Kind nicht identisch seien, sondern nur nach Gleichstellung gleich behandelt würden. Die Versorgungsordnung der Beklagten sehe eine solche Gleichstellung aber gerade nicht vor. Im Jahr 2001 schaltete die Klägerin einen Prozessbevollmächtigten ein und erhob am 28.12.2001 Klage auf Zahlung von 4.714,00 DM, der sich aus einem Betrag von 2.475,00 DM zusammensetzte (Erhöhung der Besitzstandsrente für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2001 = 36 Monatsraten) und einem weiteren Betrag von 2.239,20 DM (Zahlung...

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