Entscheidungsstichwort (Thema)

verhaltensbedingte Kündigung. Direktionsrecht. persönliche Schutzausrüstung. Auflösungsantrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Weigerung persönliche Schutzausrüstung (Sicherheitsschuhe) zu tragen, kann nach vorheriger Abmahnung eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn die Anordnung zum Tragen der Schutzausrüstung billigem Ermessen entsprach.

2. Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe gegenüber Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Kollegen kommen als Auflösungsgründe i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG in Betracht.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; GewO § 106; KSchG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 23.04.2008; Aktenzeichen 6 Ca 4456/07)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2008 – 6 Ca 4456/07 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 06.11.2007 nicht zum 29.02.2008 aufgelöst worden ist.

Das Arbeitsverhältnis wird auf Antrag der Beklagten zum 29.02.2008 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 9.250,00 EUR brutto zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die Entfernung einer schriftlichen Ermahnung sowie zweier Abmahnungen und über einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin.

Der am 24.03.1968 geborene Kläger, verheiratet und Vater von zwei Kindern, ist bei der Beklagten, für die regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer tätig sind, seit dem November 1998 als Logistikassistent zu einem Bruttomonatsverdienst von etwa 2.000,– EUR beschäftigt.

Seit dem Frühjahr 2007 litt der Kläger unter einer Erkrankung seiner Zehennägel. Anfang April 2007 wies die Beklagte dem Kläger, der zuvor im Repair-Center eingesetzt war, eine Tätigkeit im Logistikbereich zu. Der Kläger erhielt erstmals Sicherheitsschuhe, die er in der Folgezeit trug. Am 02.07.2007 arbeitete er ohne Sicherheitsschuhe, was sein Vorgesetzter beanstandete. Bis zum 02.08.2007 kam der Kläger der Weisung seines Vorgesetzten zum Tragen von Sicherheitsschuhen nach.

Am 03.08.2007 trat der Kläger seinen Dienst ohne Sicherheitsschuhe an, was die Beklagte zur schriftlichen Ermahnung vom selbigen Tag veranlasste (Bl. 17 d. A.). Der Kläger rechtfertigte sein Verhalten mit der Erkrankung der Zehennägel, woraufhin sein Vorgesetzter ihn zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung aufforderte.

Laut Attest der behandelnden Ärztin vom 06.08.2007 (Bl. 161 d. A.) soll wegen der Erkrankung der Zehennägel bis zum Abklingen der Beschwerden auf das Tragen von Sicherheitsschuhen verzichtet werden.

Nach einwöchiger Arbeitsunfähigkeit erschien der Kläger am 13.08.2007 in Sandalen zur Arbeit. Sein Vorgesetzter bestand trotz des ärztlichen Attests auf das Tragen von Sicherheitsschuhen. Dem kam der Kläger an diesem Tag nach. Am 14.08.2007 trat der Kläger seinen Dienst wieder in Sandalen an, worauf er die schriftliche Abmahnung vom 14.08.2007 (Bl. 21 d. A.) erhielt. Der Kläger protestierte hiergegen schriftlich unter dem 15.08.2007 (Bl. 23 ff. d. A.) und teilte u.a. mit, dass er zum Erhalt seines Arbeitsplatzes die Sicherheitsschuhe tragen werde, sich allerdings im Falle der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eine Klage auf Schmerzensgeld und Schadenersatz vorbehalte.

Nachdem der Kläger die Abmahnung vom 05.10.2007 (Bl. 61 f. d. A.) wegen des wiederholten Verstoßes gegen seine Arbeitspflichten erhalten hatte, informierte der Kläger die Beklagte, dass er sich von der Pflicht zum Tragen der „unnötigen, stinkenden und unhygienischen Sicherheitsschuhe” befreit sehe. Er stellte am 09.10.2007 die Sicherheitsschuhe im Büro des Personalleiters ab und war vom 10.10.2007 bis 19.10.2007 arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte erhielt am 10.10.2007 die von ihr veranlasste Stellungnahme des Arbeitsmediziners Dr. Dr. S (Bl. 72 d. A.), der nach Rücksprache mit der behandelnden Ärztin keine generelle Bedenken gegen das Tragen von Sicherheitsschuhen sah. Sofern aus Sicherheitsgründen vertretbar, solle zur Förderung des Abheilungsprozesses auf das Tragen von geschlossenem Schuhwerk verzichtet werden. Ein möglicher Kompromiss wäre das Tragen von Sicherheitssandalen. Eine Verschlimmerung des Gesundheitsproblems sei – entsprechende Fußhygiene vorausgesetzt – jedoch auch bei Tragen von geschlossenen, atmungsaktiven Sicherheitsschuhen nicht zu erwarten.

Nach Arbeitsaufnahme am 22.10.2007 forderte der Vorgesetzte den Kläger auf, die Sicherheitsschuhe zu tragen. Er teilte dem Kläger mit, dass nach Auskunft des Arbeitsmediziners keine Bedenken gegen das Tragen von Sicherheitsschuhen bestünden. Wegen der Weigerung des Klägers, Sicherheitsschuhe zu tragen, erteilte die Beklagte dem Kläger unter dem 22.10.2007 eine weitere Abmahnung (Bl. 26 d. A.).

Auch am 23.10....

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