Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung wegen unbefugter Weitergabe fremder E-Mail trotz Zugangsberechtigung. Rechtswidrige Datenverarbeitung durch Arbeitnehmer als Kündigungsgrund. Bloßes Lesen fremder E-Mail kein Kündigungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

Das Lesen einer offensichtlich an einen anderen Adressaten gerichtete Email sowie das Kopieren und die Weitergabe des Emailanhangs (privater Chatverlauf) an Dritte kann im Einzelfall eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen, auch wenn eine Zugriffsberechtigung auf das Emailkonto für dienstliche Tätigkeiten vorliegt.

 

Normenkette

BGB §§ 626, 241; BDSG § 26 Abs. 1; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 22.04.2021; Aktenzeichen 8 Ca 3432/20)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 22.04.2021, Az. 8 Ca 3432/20 abgeändert und die Klage abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

Die Beklagte ist Teil des Kirchenkreises J . Der Kirchenkreis J wird durch seinen Superintendenten, Herrn S , vertreten. Herr S war Vorgesetzter des Pfarrers der Beklagten, Herrn C . Der Kirchenkreis J ist Teil der Evangelischen Kirche im R .

Die Klägerin, geboren am 1966, verheiratet, war bei der Beklagten seit November 1997, zuletzt als Küsterin und in der Verwaltung unter anderem mit der Buchhaltung zu einem Bruttomonatsverdienst in Höhe von 2.350,00 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT-KT Anwendung. Gemäß § 33 Abs. 3 BAT-KT in Verbindung mit § 55 Abs. 1, § 53 Abs. 4 BAT-KF in der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung ist das Arbeitsverhältnis seitens der Beklagten nur noch aus einem in der Person oder in dem Verhalten der Klägerin liegenden wichtigen Grund kündbar. Für die Tätigkeit in der Verwaltung war die Klägerin berechtigt, auf das Emailkonto der Kirchengemeinde zuzugreifen.

Im Jahr 2019 gewährte die Beklagte Frau A Kirchenasyl. Nach Behauptung der Beklagten reiste Frau A mit einem Studentenvisum über Frankreich nach Deutschland ein und stammt aus dem I . Herr C und Frau A hatten im Jahr 2019 eine Beziehung, deren Art zwischen den Parteien im Streit steht.

Anfang Oktober 2019 unternahm Frau A , die an psychischen Problemen litt, einen Suizidversuch.

Anfang November 2019 übersandte Herr S an Herrn C eine Email an Emailadresse der Kirchengemeinde. In dieser Email erklärte Herr S , dass sich Frau A im Kirchenasyl in W befinde. Zudem soll nach Behauptung der Klägerin in der Email Herr C auf das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren wegen eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens in Umgang mit Frau A hingewiesen worden sein.

Mitte November 2019 griff die Klägerin auf das Emailkonto der Beklagten zu, las diese Email und druckte sie aus.

Des Weiteren öffnete die Klägerin im Emailkonto der Beklagten eine Email mit der Bezeichnung "Chatverlauf Ca " (Name für Frau A ), kopierte die Datei mit dem angehängten Chatverlauf auf einem USB-Stick. Nach circa einer Woche ließ die Klägerin Frau W den USB-Stick mit dem Chatverlauf zukommen. Frau war zu diesem Zeitpunkt Gemeindemitglied und gestaltete Gottesdienste mit. Später übergab die Klägerin den Chatverlauf an die Staatsanwaltschaft.

Am 19.11.2019 fand eine Sitzung des Presbyteriums der Beklagten statt, an dem die Klägerin teilnahm. Herr S und Herr C , der beurlaubt war, nahmen nicht an der Sitzung teil. Wegen der Einzelheiten der Sitzung wird auf die Abschrift des Protokolls (Bl.122 der Akte) Bezug genommen.

Am 02.12.2019 fand eine weitere Sitzung des Presbyteriums der Beklagten statt, an dem die Klägerin teilnahm. Herr S und Herr C , der beurlaubt war, nahmen wiederum nicht an der Sitzung teil. In dieser Sitzung wurde das Thema "Probleme mit der Sicherheit unseres Email Verkehrs" thematisiert. Das Protokoll hierzu lautet auszugsweise: "Es hat illegale Zugriffe auf das Email-Account der Kirchengemeinde gegeben. Das Presbyterium beschließt einstimmig, bei Rechtsanwalt K eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, um so schnell wie möglich eine Anzeige zu erstatten." Wegen der weiteren Einzelheiten der Sitzung wird auf die Abschrift des Protokolls (Bl.130 der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 19.08.2020 erklärte die Staatsanwaltschaft A , dass das seit November 2019 laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen Herrn C gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei.

Die Beurlaubung von Herrn C wurde im September 2020 aufgehoben.

Mit Schreiben vom 15.09.2020 wandte sich Herr C an das Presbyterium der Beklagten und wies darauf hin, dass die Klägerin eine "Whatsapp-Chatkommunikation" auf einen USB-Stick kopiert und der Polizei übergeben hätte. Auch ein weiterer "Datenklau" könne in diesem Zusammenhang stehen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Abschrift des Schreibens (Bl.21 der Akte) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 23.09.2020 hörte die Beklagte die bei ihr bestehende Mitar...

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