Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifschiedsklausel. Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Tarifschiedsklausel bindet grundsätzlich nur die tarifschließenden Vertragsparteien, nicht aber Dritte wie etwa den Betriebsrat oder den Gesamtbetriebsrat.

2. Eine Nachwirkung einer gekündigten Betriebsvereinbarung kommt nach § 77 Abs. 6 BetrVG nur im Bereich erzwingbarer Mitbestimmung in Betracht.

3. Machen die Betriebspartner von einer tariflichen Öffnungsklausel Gebrauch, um von einer tariflichen Regelung abzuweichen, führt eine Kündigung nach Ablauf der Kündigungsfrist dazu, dass die tarifliche Regelung wieder auflebt; für eine Nachwirkung der gekündigten Betriebsvereinbarung ist dann kein Raum.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 16.04.2008; Aktenzeichen 7 BV 56/08)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16.04.2008 – 7 BV 56/08 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Der Antragsteller ist der amtierende Gesamtbetriebsrat bei der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin ist aus der E GmbH hervorgegangen und bietet als internationaler Unternehmensdienstleister ein umfangreiches Serviceangebot, dass Geschäftsreisen, Management, Sports, Reisekostenmanagement, Consultants und Events & Meetingsmanagement umfasst. Die Antragsgegnerin gehört der DRV-Tarifgemeinschaft an, die mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Manteltarifvertrag geschlossen hat. Dieser enthält in den §§ 3 bis 5 Regelungen zur Arbeitszeit, zur Mehrarbeit, zur Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und zur Schichtarbeit sowie zur diesbezüglichen Vergütung.

§ 5 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages lautet:

„Eine pauschale Abgeltung von Mehrarbeit und Zuschlägen ist in begründeten Ausnahmefällen nach § 4 Ziffer 1 und § 5 Ziffer 2 in Betrieben mit Betriebsrat mit dessen Zustimmung möglich.”

Mit der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin wurde unter dem 19.06.1989 mit dem Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Regelung von Mitarbeitervergütung und Einsatz am Wochenende, Übernahme von Reiseleitung bzw. Begleitung von Gruppen sowie Vorabreisen (Bl. 8 d. A.) geschlossen. Gemäß § 1 dieser Gesamtbetriebsvereinbarung erhält der Mitarbeiter für Einsätze zwischen Montag und Freitag für evtl. anfallende Mehrarbeit eine pauschale Vergütung in Höhe von brutto 50,00 DM pro Tag. Gemäß § 2 der Gesamtbetriebsvereinbarung erhält der Mitarbeiter für den Einsatz an Samstagen, Sonn- und Feiertagen je einen Tag Freizeit oder als pauschale Abgeltung eine Vergütung in Höhe von 250,00 DM pro Tag. Die Regelung in dieser Gesamtbetriebsvereinbarung ist nunmehr zugleich Gegenstand einer umfassenden Dienstreiseregelung bei der Antragsgegnerin (Bl. 9 ff. d. A.), wobei die pauschale Vergütung für Einsätze zwischen Montag und Freitag auf brutto 26,00 EUR pro Tag und für den Einsatz an Wochenenden oder Feiertagen auf brutto 150,00 EUR pro Tag erhöht wurden.

Im Jahr 2007 hat der Antragsteller die Betriebsvereinbarung außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2008 gekündigt (vgl. Bl. 32 d. A.).

Mit der von ihm am 25.02.2008 eingeleiteten Beschlussverfahren begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die geschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung rechtsunwirksam ist und dass die jedenfalls über dem 31.12.2008 hinaus keine Nachwirkung entfaltet. Durch Beschluss vom 16.04.2008 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung rechtsunwirksam ist. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, dass die vorliegenden Gesamtbetriebsvereinbarung den Rahmen sprenge, den § 5 Ziffer 3 des Manteltarifvertrages gesetzt habe. Denn die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 19.06.1989 beschränke sich entgegen der Vorgabe im Manteltarifvertrag nicht auf Ausnahmefälle. Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin form- und fristgerecht Beschwerde einlegen und begründen lassen.

Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dem Antragsteller fehle bereits die Antragsbefugnis, denn er mache keine eigenen Rechte geltend, während umgekehrt die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall von einem umfassenden Mitbestimmungsrecht des Antragstellers ausgehe. Der Durchführung des Verfahrens stehe zudem die Tarifschiedsklausel in § 18 des Manteltarifvertrages entgegen. In der Sache ermögliche § 5 Ziffer 2 Manteltarifvertrag den Abschluss der vorliegenden Gesamtbetriebsvereinbarung. Dabei sei die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für eine solche Regelung gegeben. Im Zeitpunkt des Abschlusses, im Jahre 1989, sei nur eine einheitliche Regelung möglich gewesen. Zudem habe eine Delegation der Zuständigkeiten von den einzelnen Betriebsräten auf dem Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG stattgefunden. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts regele die Gesamtbetriebsvereinbarung einen Ausnahmefall. Denn von der Gesamtbelegschaft von etwa 900 Arbeitnehmern wü...

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