Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehinderung. Mehrarbeit. Rufbereitschaft. Dienstplan. billiges Ermessen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nicht die Rufbereitschaft als solche, wohl aber die während der Rufbereitschaft geleistete Arbeit ist bei der Berechnung der gesetzlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen.

2. Da der schwerbehinderte Arbeitnehmer nach § 124 SGB IX zur Mehrarbeit nicht verpflichtet ist und als Mehrarbeit die Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von 8 Stunden/Tag zählt (BAG AP § 124 SGB IX Nr. 1), überschreitet eine Einteilung des Schwerbehinderten zur Rufbereitschaft im Anschluss an die dienstplanmäßig zu leistende Arbeitszeit von 7 Std. 42 Min. die Grenzen billigen Ermessens, sofern die bis zum Erreichen der gesetzlichen Arbeitszeit verbleibenden Minuten keine sinnvolle Arbeitsleistung ergeben.

3. Die betriebliche Notwendigkeit zur Anordnung regelmäßiger Rufbereitschaft in einem Dialysezentrum erfüllt für sich genommen nicht die Voraussetzungen des § 14 ArbZG zur Durchbrechung der gesetzlichen Arbeitszeit in „außergewöhnlichen Fällen‚.

 

Normenkette

BGB § 315; SGB IX § 124; ArbZG §§ 3, 14

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Urteil vom 20.08.2004; Aktenzeichen 1 Ca 1261/04)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 20.08.2004 – 1 Ca 1261/04 – teilweise abgeändert und unter Berücksichtigung der neugefassten Klageanträge wie folgt gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an den Tagen seines dienstplanmäßigen Einsatzes im Anschluss hieran Rufbereitschaft zu leisten.
  2. Es wird weiter festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, mehr als acht Stunden arbeitstäglich zu arbeiten, soweit nicht die Voraussetzungen des § 14 ArbZG gegeben sind.
  3. Der weitergehende Feststellungsantrag des Klägers wird abgewiesen.
  4. Die durch die Beweisaufnahme veranlassten Kosten trägt der Kläger. Von den weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3.
 

Tatbestand

Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1952 geborene und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger, welcher seit dem Jahr 1988 im Dialyse-Zentrum des Beklagten als Gruppenpflegekraft tätig ist, im Wege des Feststellungsantrags gegen seine Einteilung zur Rufbereitschaft.

Die entsprechende Verpflichtung, Rufbereitschaft zu leisten, stützt der Beklagte auf eine entsprechende tarifliche Regelung und diesbezügliche Betriebsvereinbarung. Demgegenüber hat der Kläger zunächst unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe geltend gemacht, keine Rufbereitschaft leisten zu können. Weiter macht der Kläger geltend, nach § 124 SGB IX sei er aus Gründen des Schwerbehindertenrechts zur Leistung von Mehrarbeit nicht verpflichtet.

Durch Urteil vom 20.08.2004 (Bl. 50 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, gesundheitliche Gründe stünden einer Einteilung des Klägers zur Rufbereitschaft nicht entgegen. Insbesondere sei nicht zu erkennen, inwiefern die Verpflichtung zur Leistung von Rufbereitschaft als nicht behindertengerecht im Sinne des § 81 Abs. 4 Nr. 4 SGB IX anzusehen sei. Die vom Kläger vorgelegten Atteste seien insoweit ohne Aussagekraft. Soweit sich der Kläger auf die Vorschrift des § 124 SGB IX stütze, sei zu beachten, dass die Rufbereitschaft selbst nicht als Arbeitszeit und damit auch nicht als Mehrarbeit im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen sei. Hieran vermöge auch nichts der Umstand zu ändern, dass der Kläger möglicherweise während der Rufbereitschaft tatsächlich Arbeitsleistung von mehr als acht Stunden pro Tag erbringen müsse. Die Vorschrift des § 124 SGB IX diene allein dazu, einer Überbeanspruchung schwerbehinderter Menschen durch zu lange Arbeitszeiten entgegenzuwirken und schwerbehinderten Menschen die gleichberechtigte Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ohne Benachteiligung zu ermöglichen. Wenn der Kläger wie alle übrigen Beschäftigten zur Rufbereitschaft herangezogen werde, stelle dies keine Benachteiligung dar. Soweit etwa anfallende Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft zu einer Einschränkung der Ruhezeit führe, gelte dies für sämtliche eingesetzten Mitarbeiter gleichermaßen und sei gegebenenfalls nach § 5 Abs. 3 ArbZG zu anderen Zeiten auszugleichen.

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält der Kläger an seinem Standpunkt fest, unter den vorliegenden Umständen sei seine Einteilung zur Rufbereitschaft nicht zulässig. Nachdem das vom Landesarbeitsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes bestätigt habe, wolle der Kläger zwar nicht mehr umfassend geltend machen, keinerlei Rufbereitschaften leisten zu müssen. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils ergebe sich jedoch aus der Vorschrift des § 124 SGB IX, dass der Beklagte den Kläger je...

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