Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendbarkeit des MiLoG auf Arbeitsverhältnisse in der Pflege

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 1 Abs. 3 MiLoG begründet keine Bereichsausnahme für die fragliche Branche. Vielmehr verdrängt der Branchenmindestlohn den gesetzlichen Mindestlohn nur dann, wenn er mindestens dessen Höhe erreicht.

2. § 24 Abs. 1 MiLoG setzt voraus, dass die abweichenden Regelungen das fragliche Arbeitsverhältnis erfassen.

 

Normenkette

MiLoG § 1 Abs. 3, § 24 Abs. 1; PflegeArbbV § 2.

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 11.09.2015; Aktenzeichen 2 Ca 678/15 L)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 11.09.2015 - 2 Ca 678/15 L - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.557,53 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz

aus 332,15 € seit dem 16.02.2015,

aus weiteren 332,15 € seit dem 16.03.2015,

aus weiteren 332,14 € seit dem 16.04.2015,

aus weiteren 332,15 € seit dem 16.05.2015,

aus weiteren 332,15 € seit dem 16.06.2015,

aus weiteren 332,15 € seit dem 16.07.2015

und aus weiteren 332,13 € seit dem 18.08.2015

zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

Die Revision wird zugunsten der Beklagten zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über Arbeitsentgeltansprüche und diesbezüglich über die Frage, ob die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fanden.

Die Beklagte betreibt private Pflegedienste in M und Umgebung. Die Klägerin wurde zum 11.10.2008 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 13.10.2008, hinsichtlich dessen Einzelheiten auf Aktenblatt 6 bis 11 verwiesen wird, als Betreuungskraft eingestellt. Sie war zuletzt für jeweils 9,5 Stunden als Nachtwache tätig und hat dabei in einem nicht vorgetragenen Anteil Bereitschaftsdienst geleistet. Mit Änderungsvertrag vom 28.11.2011 haben die Parteien folgendes vereinbart:

" . . .

§ 3 Tätigkeit

Ab dem 01.02.2011 wird die sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von Teilzeit in eine geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis (400-€-Grenze) umgewandelt.

§ 6 Arbeitszeit

Die regelmäßige monatliche Arbeitszeit richtet sich nach den Vorgaben der Einsatzleitung.

§ 7 Vergütung

Ab dem 01.02.2011 erhält Frau T für ihre Tätigkeit in der Betreuung eine Stundenvergütung pro geleisteter Arbeitszeit in Höhe von 6,65 € (Betrag in Worten: sechsfünfundsechzig). Pro geleisteter Schlafwache (9,5 Stunden) erhält der Arbeitnehmer eine Vergütung von 47,50 € (siebenundvierzigfünfzig).

Sollte sich die Auftragslage ändern, so erhält Frau T, nach Genehmigung durch die Geschäftsführung, die Möglichkeit wieder in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu wechseln.

Alle anderen Vereinbarungen des Arbeitsvertrages bleiben unverändert.

. . . "

Die Klägerin verrichtete in den Monaten Januar bis Juli 2015 mit Ausnahme des Monats März 2015 (sieben Nachtwachen), in dem die Klägerin zweitweise arbeitsunfähig erkrankt war, jeweils zehn Nachtwachen und erhielt dafür eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 475,35 € (für März 2015: 475,36 und für Juli 2015, 475,37 €). Im Monat August 2015 leistete die Klägerin entsprechend der dienstplanmäßigen Einteilung sieben Nachtwachen, wofür die Beklagte ihr 332,74 € brutto zahlte.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde zum 31.12.2015 beendet. Im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das beim Arbeitsgericht Hamm unter dem Aktenzeichen 4 Ga 17/15 L geführt wurde, schlossen sie am 20.10.2015 einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

- 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine von der Antragsgegnerin noch in diesem Monat auszusprechende und zuzustellende ordentliche fristgerechte betriebsbedingte Kündigung mit dem 31.12.2015 enden wird.

- 2. Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wird die Antragstellerin von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

- 3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Urlaubsansprüche vollständig erfüllt sind.

- 4. Die Monate Oktober, November und Dezember 2015 werden abgerechnet auf der Basis einer Vergütung von 450,00 EUR brutto pro Monat.

- 5. Als Abfindung gemäß der §§ 9, 10 KSchG für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Antragsgegnerin an die Antragstellerin einen Betrag von 300,00 EUR brutto.

- 6. Mit Erfüllung der Bedingungen dieses Vergleichs sind die wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien erledigt, mit Ausnahme der Ansprüche, die Gegenstand des derzeit beim LAG Hamm anhängigen Verfahrens sind mit dem Aktenzeichen 2 Ca 678(15 L -Arbeitsgericht Hamm-.

- 7. Damit ist der Rechtsstreit 4 Ga 17/15 L erledigt.

Nach der am 31.12.2014 außer Kraft getretenen "Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche" galt seit 01.08.2010 u.a. für das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen ein branchenbezogenes Mindestentgelt in Höhe von zuletzt 9,00 € je Stunde. Nach § 1 Abs. 3 der Verordnung wa...

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