Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfühlungsverhältnis

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vereinbarung eines sog. unbezahlten Einfühlungsverhältnisses ist zulässig. Darunter versteht man „ein ganz loses Rechtsverhältnis eigener Art”, welches sich von einem Arbeitsverhältnis, insbesondere auch einem Probearbeitsverhältnis, dadurch unterscheidet, dass der in den Betrieb aufgenommene potentielle Arbeitnehmer während der Einfühlungsphase keine Pflichten übernimmt und lediglich dem Hausrecht des Betriebsinhabers untersteht. Es soll dem zukünftigen Arbeitnehmer die Gelegenheit geben, die betrieblichen Arbeitsgegebenheiten kennenzulernen.

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Aktenzeichen 1 Ca 138/88)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 18.11.1988 – 1 Ca 1381/88 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert:

Die Klage wird hinsichtlich des 1.405,07 DM übersteigenden Betrages abgewiesen. Von den Kosten des 1. Rechtszuges hat der Kläger 2/5, die Beklagte 3/5, von denen des Berufungsverfahrens der Kläger ⅔, die Beklagte ⅓ zu tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 1.556,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte, soweit der Rechtsstreit nicht vom Arbeitsgericht rechtskräftig erledigt worden ist, auf Zahlung restlicher Arbeitsvergütung – Lohn für tatsächlich oder angeblich geleistete Arbeit, Feiertagslohn, Lohnfortzahlung und Annahmeverzugslohn – in Höhe von 1.556,99 DM brutto in Anspruch. Das Schwergewicht des Rechtsstreits liegt bei einer Forderung des Klägers in Höhe von 1.011,51 DM brutto, die der Kläger als Arbeitsvergütung und Feiertagslohn für die erste Woche nach seinem tatsächlichen Eintritt in den Betrieb der Beklagten fordert, wobei der Streit der Parteien bezüglich dieser Forderung darum geht, ob zwischen ihnen bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat oder für diese Woche eine für beide Teile völlig unverbindliche „Einfühlungszeit” – insbesondere ohne Vergütungspflicht der Beklagten – rechtlich zulässig vereinbart werden konnte und vereinbart worden ist.

Der am 14.01.1953 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtig. Mit seiner aus der DDR stammenden Ehefrau ist er im März 1988 in die Bundesrepublik übergesiedelt. Die Familieneinkünfte des Klägers und seiner Ehefrau bestanden anfangs allein aus dem der Ehefrau gewährten Arbeitslosengeld von etwas mehr als 1.000,– DM im Monat.

Anfang Juni 1988 suchte die Beklagte, deren Geschäftsgegenstand ausweislich ihres Geschäftspapiers die Spedition, der Güternah- und Fernverkehr, die Lagerung sowie der Großhandel mit Baustoffen ist und die knapp 20 Arbeitnehmer, davon 12 Kraftfahrer beschäftigt, per Zeitungsinserat Kraftfahrer für den Güternah- und Fernverkehr und stellte eine „günstige Gehalts- und Spesenregelung” in Aussicht. Durch Vermittlung des Zeugen Z., der den Prokuristen B. der Beklagten persönlich kannte, fand daraufhin am 09.06.1988 ein Einstellungsgespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen B. statt, dessen präziser Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Während der Kläger behauptet, er habe seine Tätigkeit bei der Beklagten am Montag, dem 13.06.1988, gegen Zahlung einer Vergütung von 2.500,– DM brutto im Monat aufnehmen sollen, trägt die Beklagte vor, es sei in jenem Gespräch mit dem Kläger vereinbart worden, er solle unverbindlich und ohne Bezahlung eine Woche lang bei einem ihrer Kraftfahrer mitfahren, um die Abläufe und Umstände der Arbeit kennenzulernen. Erst danach habe der Kläger Arbeit leisten und eine Vergütung von 2.500,– DM brutto im Monat erhalten sollen.

In der Zeit von Montag, dem 13.06.1988, bis Donnerstag, dem 16.06.1988, fuhr der Kläger überwiegend mit dem Kraftfahrer A. Lastkraftwagen der Beklagten. Teilweise führte er die Fahrzeuge selbst und half bei Be- und Entladearbeiten sowie bei der Wagenpflege mit. Für diese Tätigkeiten wandte der Kläger am 13.06.1988 12,75 Stunden, am 14.06.1988 13,5 Stunden, am 15.06.1988 14,5 Stunden und am 16.06.1988 15,25 Stunden auf. Freitag, der 17.06.1988 war gesetzlicher Feiertag.

Am Montag, dem 20.06.1988 leistete der Kläger streitlos als Kraftfahrer der Beklagten 18,75 Stunden Arbeit. Wegen eines entweder am 16.06.1988 – so der Kläger – oder am 20.06.1988 – so die Beklagte – erlittenen Arbeitsunfalls war der Kläger, wie im zweiten Rechtszug zwischen den Parteien nicht mehr streitig ist, von Dienstag, den 21.06. bis Freitag, dem 01.07.1988 arbeitsunfähig.

Am Montag, dem 04.07.1988 – dem ersten Tag nach Beendigung seiner Arbeitsunfähigkeit – arbeitete der Kläger nicht. Ob er an diesem Tage aus eigener Schuld das Fahrzeug, für das er eingeteilt war, verpaßt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Danach leistete der Kläger für die Beklagte folgende Arbeitsstunden:

05.07.1988

14

Stunden

06.07.1988

10,5

Stunden

07.07.1988

18,25

Stunden

08.07.1988

12,5

Stunden

11.07.1988

15

Stunden

12.07.1988

12,75

Stunden

13.07.1988

15,5

S...

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